Warum man es dem Publikum zumuten kann, ohne Vorschläge zu spielen

Improvisation entsteht aus dem Moment heraus. Und wenn wir diesen Moment erfassen, den Moment des Spiels, den Impuls der gemeinsamen Kreativität, wenn wir ungehinderten Zugriff auf unsere Assoziationskanäle zulassen und uns von unseren Partnern und unseren eigenen Gedanken überraschen lassen, dann brauchen wir tatsächlich keine Vorschläge aus dem Publikum, um improvisieren zu können. Um das klar zu sehen, brauchen wir nur einen Blick auf die improvisierte Musik zu werfen: Zwar finden sich auch dort inzwischen Musiker, die sich von Vorschlägen des Publikums inspirieren lassen, aber die große Geschichte der Impromusik des 20. Jahrhunderts, nämlich des Jazz, kam ohne Publikumsvorgaben aus.
Es gibt manchmal den Einwand von Improspielern, erst die Vorgaben würden „beweisen“, dass wir wirklich improvisieren. Das tun sie aber nicht. Ich habe bemerkt, dass Zuschauer, gerade wenn man das betont, skeptisch werden und (ähnlich wie bei Zauberkunststücken) nach den Tricks suchen. Die Skeptiker im Publikum muss man anders von sich überzeugen, und zwar am besten dadurch, dass man die Improvisation weniger als Sensation hervorhebt, sondern den Fokus des Publikums mehr auf den Prozess des Improvisierens bzw. auf die Inhalte lenkt. Vielleicht muss man sich auch damit abfinden, dass es immer eine Handvoll Skeptiker geben wird.
Nach einer Show, in der wir mit meiner ersten Impro-Gruppe Paula P. eine ziemlich gelungene, mehrstimmige Oper improvisierten, sprach uns nach der Show eine Skeptikerin an: „Ich wusste, dass ihr nicht alles improvisiert.“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Na, ihr kanntet ja den Text und die Melodie der Oper.“

*

Nachdem wir mit Foxy Freestyle ein komplettes Stück ohne Unterbrechung anhand von fünf Publikumsvorgaben im Stil von Tennessee Williams improvisierten, lasen wir anschließend in einem Online-Kommentar zu unserer Show: „Das war ein außergewöhnlich schönes Stück, aber leider nicht improvisiert. Denn wenn das improvisiert gewesen wäre, müssten ja die Schauspieler Genies sein.“

Abgesehen von der angenehmen Schmeichelei, wurde mir hier klar: Die Perspektive des Zuschauers ist durch Sehgewohnheiten verdorben worden. Wir werden Zuschauer wie diesen nicht überzeugen können, es sei denn, wir appellieren kurz an ihr Vertrauen  oder wir arbeiten als Impro-Community hart und langfristig daran, das Vertrauen des Publikums in die Improvisation herzustellen. Aber man sieht auch in einzelnen Gruppen, dass sich eine Improgruppe auch ihr Publikum „erziehen“ kann, wenn sie denn hartnäckig und mit hoher Qualität Improvisationstheater bietet, das ohne Vorschläge auskommt.
Zum Argument, die Vorschläge würden erst die wahre Verbindung zum Publikum herstellen, ist noch anzumerken: In der Tat schlagen die eingebauten Vorgaben und inspirierenden Vorschläge eine Brücke zum Publikum, aber nicht die einzige. Man überlege selbst: Was begeistert mich als Zuschauer mehr – eine runde, elegante Szene, in der der Flow der Spieler sichtbar wurde? Oder die schiere Tatsache, dass eine Handvoll Vorschläge eingebaut wurden? Außerdem muss man noch bedenken, dass es am Ende ja doch nur relativ wenige Einzel-Zuschauer sind, deren Vorschläge eingebaut werden. Und die Freude dieser Zuschauer ist nicht zu unterschätzen. Aber die Freude des restlichen Publikums, die Umsetzung eines fremden Vorschlags zu sehen, darf man eben auch nicht überschätzen.

Was für die Verwendung von Publikums-Vorschlägen spricht

Es gibt eine größere Debatte darum, ob wir überhaupt Publikumsvorschläge brauchen. Ich habe hier schon öfters eine Lanze dafür gebrochen, auch in Deutschland häufiger das Improvisieren ohne Vorschläge zuzulassen. (Mir ist zurzeit kein Ensemble bekannt, dass das regelmäßig machen würde.)
Hier nun aber ein paar Gründe, die für die Verwendung von Publikums-Vorschlägen sprechen.

  1. Vorschläge führen uns aus der Komfortzone.
    Wenn man viele Jahre improvisiert, stellen sich unweigerlich Muster ein – man etabliert ähnliche Handlungen in ähnlichen Konstellationen an ähnlichen Orten mit ähnlichen Konflikten. Vorschläge aus dem Publikum können einen im positiven Sinne irritieren und zwingen, sich mit neuen Situationen auseinanderzusetzen. (Das setzt eine kluge Fragetechnik voraus, damit nicht die immergleichen Vorschläge zu hören sind.) Die Auseinandersetzung mit neuem Material zwingt Künstler zu neuen Lösungen, und uns Improvisierer hält das auf der Bühne frisch.
  2. Zeitersparnis in Kurzformen
    In einer Szene, die nur wenige Minuten dauern soll, erspart man sich die Zeit, sämtliche Plattform-Elemente nach und nach gemeinsam zu etablieren. Wenn ich hingegen weiß, dass wir Mutter und Vater sind, die im Garten den Kindergeburtstag vorbereiten, können wir sofort zum Kern der Szene kommen.
  3. Verbindung zum Publikum
    Das Verwenden von Vorschlägen ist zwar längst nicht das einzige Mittel, um eine Verbindung zum Publikum herzustellen. Aber die Verbindung wird verstärkt, wenn die Vorschläge aufgenommen und kreativ verarbeitet werden. Wir improvisieren dann nicht mehr nur für das Publikum, sondern auch mit dem Publikum. Die Verbindung wird noch verstärkt, wenn es um mehr als „Vorgaben“ geht. Denn wenn wir das Publikum nach Vorgaben fragen, wird es versuchen, „originell“ zu antworten. (Heraus kommen dabei Szenen wie „Eine Oper, in der ein Yeti in der Sauna von einem Pinguin rasiert wird“.) Das mag zwar im Einzelnen ganz hübsch sein, aber bleibt letztlich belanglos. Vorschläge, die auf das Persönliche zielen, haben das Potential, die Storys emotionaler werden zu lassen, da sie dem einzelnen Zuschauer mehr bedeuten und das gesamte Publikum weiß, dass das so ist. Die Vorschläge schlingen also ein einmaliges Band um Publikum und Improvisierer. Es ist, als sei man eine verschworene Gemeinschaft, als sei das alles ein riesiger Insider-Witz.

Backstage – Nach der Show ist vor der Show

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Feiert euch! Egal ob du persönlich mit dem Ergebnis zufrieden warst, egal ob die Reaktion des Publikums verhalten oder begeistert war: Ihr habt Großes vollbracht. Aus dem Nichts habt ihr eine komplette Show auf die Beine gestellt.
Bedankt euch bei euren Mitspielern, so wie ihr euch zu Beginn „Toi toi toi!“ gewünscht habt.
Der Übergang von „Nach-der-Show“ in den Alltag sollte genauso geehrt und zelebriert werden wie das Ankommen. Statt also sofort wieder aus dem Backstage zu rennen, sich ein Bier zu schnappen und sich vom Publikum feiern zu lassen, sollte man der Show noch für einen kleinen Moment nachlauschen.
Unmittelbar nach der Show ist das Adrenalin oft noch hoch, die Eindrücke manchmal überwältigend und die Distanz zum Geschehen noch nicht groß genug, um eine gründliche Auswertung vorzunehmen. Ich plädiere allerdings sehr für ein kurzes Feedback.  Die Kunst besteht hier darin, das Positive überwiegen zu lassen, auch wenn es anstrengend war. Bedenkt die drei verschiedenen Perspektiven: Publikum, Mitspieler und Ich. Jeder hat die Show anders wahrgenommen. Selbst wenn wir glauben, an unseren künstlerischen Maßstäben gescheitert zu sein, könnte es dennoch sein, dass das Publikum sich zu Recht über die Show gefreut hat. Und umgekehrt: Selbst wenn ich mich wohlfühle, kann es sein, dass sich meine Mitspieler von mir im Stich gelassen fühlten. Auch wenn drei Zuschauer die Show verlassen haben, können wir uns freuen, in neue Impro-Sphären vorgestoßen zu sein.
Zügelt euren Ärger und das zeitliche Ausmaß des Feedbacks. Mehr als anderthalb Minuten pro Spieler muss es nicht dauern. Bei großen Gruppen sogar weniger.
Beendet die Feedback-Runde mit einem kleinen Ritual und geht dann den Weg zurück, den ihr gekommen seid: Kümmert euch um euer persönliches Wohl, zieht euch um, schminkt euch ab. Packt eure Requisiten und Kostüme weg. Schaut zu, ob Techniker oder andere Assistenten Hilfe brauchen.
Dreht euch um, bevor ihr das Backstage verlasst und hinterlasst es in präsentablem Zustand.

Backstage – In der Pause

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


In Pausen müssen wir den Spagat schaffen, einerseits den Show-Fokus nicht zu verlieren und andererseits wirklich zu pausieren, also uns körperlich und geistig zu erholen.
Eine Pause sollte nicht länger als fünfzehn Minuten dauern, da sonst das Publikum ungeduldig wird. Das bedeutet aber für uns Spieler, dass wir die Pause auch gezielt als solche nutzen sollten, denn diese Zeit geht oft schneller vorbei als man glaubt.
Zunächst gilt es, rasch die körperlichen persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen: Ein kurzer Toilettengang und ein Getränk.
Längere Diskussionen gilt es in der Pause auf jeden Fall zu vermeiden, um die zweite Hälfte nicht mit etwaigen Meinungsverschiedenheiten zu belasten. Insofern verbietet sich auch eine Auswertung des ersten Teils in der Pause. Selbst wenn du die erste Hälfte als positiv wahrgenommen hast, solltest du deine Meinung in der Pause erst mal zurückhalten, da deine Mitspieler es unter Umständen auch anders wahrgenommen haben könnten.
Für die zweite Hälfte der Show kann man sich unter Umständen noch ein paar Fokuspunkte ins Gedächtnis rufen, vor allem wenn im zweiten Teil ein anderes Format gespielt wird.
Wenn man ein längeres Stück improvisiert, liegt manchmal die Versuchung nahe, die Story zu besprechen. Ich rate davon dringend ab, da das bisweilen darauf hinausläuft, vorauszugreifen oder verschiedene Perspektiven gegeneinander abzuwägen. Behaltet das Risiko für den zweiten Teil. Allenfalls ein zwei Nachfragen bei akustischen Missverständnissen oder eine Rekapitulation von Namen und grobem bisherigem Storyablauf sind aus Impro-Perspektive angemessen.
Was aber, wenn man sich nach der ersten Hälfte nicht ganz und gar nicht wohlfühlte, etwa weil man das Gefühl hatte, nicht wahrgenommen zu werden? Auch dann verbietet es sich, sämtlichen Frust auf die anderen abzuladen. Wenn du merkst, dass du mit deinem Unwohlsein allein bist, während alle anderen abfeiern, bitte einen Mitspieler um ein Warm-Up-Quickie, um wieder zusammenzukommen. „Peng!“, Reimen, Assoziieren oder Singen bieten sich an: Alles, was schnell geht, gute Laune schafft und die Spieler zusammenführt.
Was aber, wenn sich das schlechte Gefühl auf die ganze Gruppe gelegt hat, weil man das Gefühl hat, gründlich zu scheitern? In solchen Situationen hilft es, erst einmal für einen Moment gemeinsame Stille auszuhalten. Denn das Gute ist selbst in diesen Augenblicken: Wir arbeiten zusammen, nicht gegeneinander. Auch wenn es auf der Bühne Missverständnisse gegeben hat, haben wir ein gemeinsames Ziel. Findet schnell eine neue Energie, einen gemeinsamen Fokus, auf den ihr euch einigen könnt. Diskutiert nicht lange. Findet rasch den kleinsten gemeinsamen Nenner. Das kann unter Umständen bedeuten, dass man sich darauf einigt die Reißleine zu ziehen und den zweiten Teil völlig anders zu gestalten. Aber das empfehle ich nur als allerletzte Notmaßnahme.

Gute Vorschläge vom Publikum (1)

Eines der stärksten Mittel, den Schrott-Anteil bei Vorschlägen zu mindern, ist, die Zuschauer direkt und einzeln zu befragen, zum Beispiel indem man sie bittet, sich zu melden, wenn sie etwas vorschlagen wollen. Wer einzeln und direkt gefragt wird, ist auch direkter für seinen Vorschlag verantwortlich als der, der sich im Mob verstecken kann. Sieht man mehrere Wortmeldungen, kann man auch anhand der Körpersprache und anderer äußerer Merkmale aussortieren:

  • Keine betrunkenen oder kichernden Zuschauer fragen.
  • Die Alphamännchen in Gruppen ignorieren.
  • Die letzte Reihe meiden. 
  • Frauen bevorzugen.

(Zuschauer in den letzten Reihen sind öfters – absichtlich oder nicht – etwas losgelöst von der Show. Sie neigen dazu, mehr zu werten und zu kommentieren als sich emotional zu engagieren. Ihre Haltung ist eher: „Wollen doch mal sehen, ob das etwas taugt.“

Ob das damit zu tun hat, dass sich distanzierte Besucher eher in die letzte Reihe setzen oder ob die letzte Reihe die Zuschauer distanziert, kann ich nicht beurteilen.)

Backstage vor der Show – „Wir brauchen kein Warm-Up“

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management

In meiner Anfangs-Phase als Improspieler traten wir manchmal zu Werbe-Zwecken bei einer Open Stage auf. Man hatte sieben Minuten Zeit, und das war’s. Für diesen kurzen Auftritt wärmten wir uns als Gruppe manchmal eine Viertelstunde lang auf. Irgendwann fragte ich die anderen, ob wir das wirklich bräuchten. Entrüstet hielt man mir Unprofessionalität vor. Und so fügte ich mich der Mehrheitsmeinung.

Ich denke, bei kleineren Auftritten wie Mixed Shows und Open Stages kann man sich überlegen, das formale Gruppen-Warm-Up wegzulassen. Schließlich kann es durchaus sein, dass die äußeren Bedingungen dagegen sprechen:
Belästigt man andere Künstler im Backstage mit dem eigenen Herumgehampel?
Eventuell hampeln andere Künstler um einen herum, so dass man sich aufs Warm-Up kaum konzentrieren kann.
Bei Firmenauftritten oder kurzen Shows auf Tagungen kann es sein, dass es weder die Zeit noch den Ort für ein Warm Up gibt.
Aber auch subjektive Gründe können gegen ein Warm Up sprechen. Wenn sich ein Spieler zum Beispiel schon vom Tag dermaßen ausgepowert fühlt, dass er sich die Reserven für die Show sparen will, sollten das die Kollegen in Erwägung ziehen.
Ich habe es auch erlebt, dass das Geplauder eine dermaßen heitere, künstlerisch-intelligente und kraftvolle Dynamik annahm, dass sie quasi fließend in ein sitzendes Warm Up überging und man entschied, das formale Warm Up fallenzulassen, da es nichts mehr hinzuzufügen gab.
Bei gewissen entspannten Shows, die sehr alltags- und publikumsnah aufgeführt werden, etwa zur Mittagspause im Universitäts-Café oder als Game-Show in einer Bar, kann man das Warm Up ebenfalls fallenlassen, wenn die Aufführung sozusagen eher einer Skizze als einer Gala gleicht.
Verzichtet man bei regulären Shows auf ein formales Warm Up, sollte man aber darauf achten, dass der Impro-Fokus erhalten bleibt. Die Zeit vor der Show stattdessen mit unterspanntem Lümmeln und improfremdem Getratsche zu verbringen, halte ich für Zeitverschwendung.

Backstage vor der Show – Fokus-orientiertes Warm Up

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Nachdem man körperlich und stimmlich wach ist und auch zu einem guten Miteinander gefunden hat, ist es Zeit, sich ein paar Spielen zu widmen, die tatsächlich auch mit der Show zu tun haben. Entscheidend ist, dass man noch genügend Scheiter-heiter-Energie hierher mitnimmt. Zu oft geschieht es nämlich, dass sich Spieler ihr Lampenfieber derart bündeln wollen, dass sie quasi die komplette Impro-Show vorwegnehmen wollen. So wichtig Fokus auch sein mag, er darf uns nicht lähmen und uns so unserer Spielfreude berauben.
Für diesen Punkt gibt es keine allgemein nutzbaren Spiele, da es sehr davon abhängt, was für eine Show man spielt. Wenn ihr ein musikalisch gewieftes Team seid, dann lohnt es sich vielleicht, sich mit mehrstimmigem Gesang aufzuwärmen, was in einer reinen story-basierten Show Quatsch wäre. Für eine Shakespeare-Show könnte man ein Fünfhebige-Jamben-Warm-Up vor die Show setzen (aber eben auch nur dafür).
Fast immer sind Übungen geeignet, die darauf fokussieren, rasch Charaktere zu erschaffen – aus Tieren, Objekten oder Personen.
In storybasierten Shows kann man noch eine Handvoll Fünf-Satz-Geschichten improvisieren.
Ich halte es durchaus für sinnvoll, wenn man vor der Show mit jedem anderen Spieler wenigstens eine kurze Szene improvisiert hat (was ab einer bestimmten Gruppengröße allerdings fast unmöglich ist ). Freeze Tags eignen sich da ganz gut, wenn man sie mit Spezial-Fokus spielt, da sie sonst allzu leicht in der Beliebigkeit verpuffen. Gute Fokuspunkte sind hier: Emotionalität, körperliche Orientierung der Charaktere, Veränderbarkeit der Figuren, Status, Pantomime, Nutzung des Raums. Man kann diesen Fokus allen Spielern zuweisen oder sich beim Spielen selber geben. Manchmal weiß man selbst am besten, was man braucht.

Backstage vor der Impro-Show – Gruppen-Aufwärmen – Heiteres Miteinander

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Jedes Warm-Up, das zum Miteinander-Sein beiträgt, das das heitere Scheitern und überhaupt die Spiellaune fördert, ist ein gutes Warm Up. Das müssen nicht einmal klassische Impro-Spiele sein.
Man beachte aber auch, dass manche Spiele für den Einen die Super-Auflockerung darstellen, für den Anderen aber eher zu viel Konzentration erfordern, zum Beispiel weil sie eine Fähigkeit in den Mittelpunkt stellen, die nicht jedermanns Sache sind, etwa Reimen, Singen, Dialekte, Tanzen. Achtet also bei der Auswahl eurer Spiele darauf, das sich alle wenigstens halbwegs wohlfühlen. Andererseits solltest du als Einzelspieler nicht allzu wählerisch sein und auch mal über deinen Schatten springen, um die Gruppendynamik nicht zu behindern.
Grundsätzlich denke ich, dass hier solche Spiele geeignet sind, die
körperliche Aktivität erfordern,
sprachliche Spielfreude einbringen
geistig nicht allzu fordernd sind
Gruppen-Aufwärm-Übungen, die ich für vor er Show geeignet halte, sind unter anderem:
Sieben
Gordischer Knoten
Ich bin ein Baum
Peng!
Kätzchen sucht ein Plätzchen
Big Booty
Zip-Zoom
Soundkreis
Bauernregeln
Freeze Tags
Freies Assoziieren
Für weniger geeignet halte ich Spiele, die zu lange dauern, etwa umständliche Rate-Spiele. Spiele wie Dissoziieren sind zwar ein gutes Hirntraining, aber ich würde sie eher für Proben aufbewahren, da sie den Flow nicht gerade fördern.
Wenn man eine Handvoll cooler Spiel-Übungen gefunden hat, spricht zunächst einmal nichts dagegen, sie über einen längeren Zeitraum immer wieder einzusetzen. Allerdings nutzen sich manche Spiele nach einer Weile ab. Wenn man merkt, dass die ganze Gruppe ein bestimmtes Spiel praktisch im Halbschlaf spielen könnte, dann ist es Zeit, es beiseite zu legen und sich aus dem riesigen Spielefundus ein neues herauszuholen.

Backstage vor der Impro-Show – Gruppen-Aufwärmen – Körper und Stimme

Das Aufwärmen vor der Improtheater-Show hat drei Funktionen:
1. Es geht darum, tatsächlich Körper und Stimme aufzuwärmen.
2. Die Gruppe soll zu einem heiteren Miteinander-Spielen finden.
3. Der gemeinsame Fokus wird allmählich auf die Show gelenkt.

(In diesem Posting geht es um Punkt 1.)

Körper und Stimme
Der Körper sollte aus dem Alltagsmodus herausgeführt werden. Indem wir uns dehnen, beugen, ausschütteln, erinnern wir unsere Glieder an Bewegungsoptionen, die außerhalb unserer normalen Bahnen laufen. Ich rate dazu, dem Körper nicht zu viel Gewalt anzutun. Es geht eher um ein Wahrnehmen und Wecken des Körpers als um sportliche Belastung.

Ein klassischer Wachmacher, der auch noch dafür sorgt, dass die Gruppe zusammenkommt, sind die 220 Schüttler:Die Gruppe steht im Kreis. Alle heben den linken Arm und schütteln ihn energetisch aus. Dabei wird gezählt: „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn!“ Es folgen: Rechter Arm, linkes Bein, rechtes Bein.Danach ist wieder der linke Arm dran. Diesmal zählen alle bis neun, und so weiter. Am Ende ist jede Extremität nur noch einmal dran, und alle rufen: „Eins! Eins! Eins! Eins! Hey!“Anmerkung: Augenkontakt erhöht die gute Laune.

Was für den Körper gilt, trifft auch für die Stimme zu: Missbraucht sie nicht. Schreit nicht herum. Beim Stimm-Aufwärmen geht es letztlich darum, dafür zu sorgen, dass wir später auf der Bühne kräftig klingen, ohne die Stimmbänder in Mitleidenschaft zu ziehen. Dafür ist entscheidend, dass die Stimme an den Körper gebunden ist. Hier ist nicht der Platz, um die komplette Lehre des Stimmtrainings zu entfalten. Aber eine Handvoll Faustregeln fürs Aufwärmen gebe ich mit auf den Weg:

  1. Je weniger Luft beim Sprechen oder Singen die Kehle passiert, umso klarer klingt die Stimme und umso mehr Resonanz erzeugt sie. Man spürt das „falsche“ Sprechen daran, dass es geflüstert oder heiser klingt. Gebt euch eventuell gegenseitig Feedback.
  2. Bauchatmung geht vor Brustatmung. Wenn wir unsere Spannung im Zwerchfell statt in der Kehle ansetzen, haben wir schon viel erreicht.
  3. Rufen statt Schreien.

Beginnt euer Stimm-Warm Up mit kleinen einfachen Lauten: „Ah ja!“ „Oh!“ „Nee, nee!“ „Lulu.“ „Iiih!“ in mittlerer Lautstärke. Achtet darauf, dass sich keine Flüstereien einschleichen.
Ich bin kein großer Freund der in den Backstages dieser Welt recht verbreiteten Konsonanten-Trainings. Ich habe noch nie bemerkt, dass das „P-T-K-P-T-K“ oder „F-S-Sch-F-S-Sch“ zu einer Verbesserung der Verständlichkeit beigetragen hätte. Ich konzediere aber gern, dass mir hier möglicherweise eine Feinheit entgangen ist. Ähnlich verhält es sich mit Zungenbrechern, für die ich aber noch eher ein Herz habe, einfach weil es lustig ist, sich an ihnen zu versuchen und kollektiv daran zu scheitern.

Auf dem Weg zur Langform

Sobald man die komfortable Zone der Kurzformate und Impro-Games verlässt, kann man sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Improvisation um ihrer selbst willen funktioniert. Viele Games funktionieren, indem man einfache Regeln beachtet und sich mit viel Energie in sie hineinwirft, dann geht der eingebaute Komik-Mechanismus wie von selber an. In „freien Szenen“ und längeren Formen brauchen wir mehr: Wir müssen in der Lage sein, Storys zu entwickeln. Wir müssen wissen, wie eine komische (oder spannende oder tragische) Szene aus sich selbst heraus funktioniert. Dieses Handwerk zu lernen muss man schon bereit sein, wenn der Übergang vom Game zur freien Form gelingen soll.

An Herrn Müller, Regierender Bürgermeister

Den neuen amerikanischen Präsidenten zu kritisieren, ist für jeden Demokraten Pflicht und Selbstverständlichkeit, aber Sie, Herr Müller, haben sich vergaloppiert. Hinter der weltmännischen Geste können Sie den Bolle-Berliner nicht verbergen. Vor allem aber hat die geplante US-amerikanische Mauer zur mexikanischen Grenze, so dumm dieses Projekt auch ist, nur wenig mit der Berliner Mauer gemein, außer eben, dass es beides Mauern sind. Sie schreiben an Trump: „Überall dort, wo heute noch solche Grenzen existieren, in Korea, auf Zypern, schaffen sie Unfreiheit und Leid.“ Dass im Fall von Deutschland, Korea und Zypern ganze Länder durch Mauern geteilt wurden, wissen Sie aber schon Herr Müller? Und auch, dass die USA und Mexiko zwei souveräne Staaten sind, zwischen denen es keinen freien Reiseverkehr gibt, sondern Migration, legale und tatsächlich auch illegale?
Wie mit dieser Frage umzugehen ist, wird in den USA diskutiert. Die Option „Grenze auf für alle“ wird dabei von keiner ernstzunehmenden politischen Kraft gefordert. Wenn das Ihre Forderung ist, verrät das viel über Ihre Ahnungslosigkeit nicht nur in Bezug auf den amerikanischen Kontinent, sondern auch in Bezug auf internationale Politik überhaupt. Trumps Mauer wird nämlich nicht in erster Linie wegen ihres Ziels kritisiert, sondern weil sie ein völlig unangemessenes Mittel zur Erreichung dieses Ziel ist. Befestigte Anlagen gibt es schon an vielen Stellen der Grenze USA/Mexiko. Sie überall zu errichten (z.B. auch in der Wüste), ist teuer und sinnlos. Die Mauer ist ein irrsinniges, rein symbolisches Unternehmen, das lediglich der Trumpschen Selbstbespiegelung dient – man gaukelt vor, etwas geschafft zu haben. Dass auch eine Mauer überwunden kann, wenn sie nicht bewacht wird – von oben, von unten oder mitten hindurch – das sagen einem die US-amerikanischen Grenzbehörden, auf die Trump nicht hören mag.
Ich habe die Vermutung, Herr Müller, Sie wollen ganz oben auf der aktuellen Anti-Trump-Welle reiten. Aber surfen will gelernt sein.

Backstage vor der Show – Persönliche Vorbereitungen

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Seid euch vorher darüber im Klaren, was ihr körperlich und seelisch braucht, um auf die Bühne zu gehen. Nehmt euch entsprechend die Zeit.
Einige Improvisierer nutzen bereits den Weg zum Theater, als Übergang von der Alltags- in die Performance-Welt. Nützlich ist alles, was den Impro-Spirit fördert: Fokussierung, Leichtigkeit, künstlerischer Input, körperliche Wachheit, Verspieltheit, positives Denken. Abträglich sind: schwere Gedanken, sprunghafte Internet-Ablenkung (Facebook, E-Mails, Ballerspiele usw.).
Viele betreiben ein körperliches Warm Up schon zuhause: Ausdauer- und Auspowertraining hilft dem Geist, ruhiger zu fließen. Einen ähnlichen Effekt haben Yoga- und Dehn-Übungen.
Wenn man die Zeit dafür hat, kann man sich auf die Suche nach künstlerischer Inspiration begeben – eine Galerie besuchen, Gedichte lesen usw. Auch hier ist nachhaltige Auseinandersetzung eher gefragt als schnelle Berieselung wie Videoclips.

Eine spezielle Form der gemeinsamen Vorbereitung hat das Duo TJ & Dave gefunden, das auch auf seiner DVD „Trust us“ zu sehen ist: Die beiden spazieren vor der Show zwei Stunden lang durch die Stadt. In der ersten Stunden beobachten sie gemeinsam Situationen und Typen, die möglicherweise in die abendliche Vorstellung einfließen. Anschließend betreibt jeder von ihnen diese Sozialstudien noch einmal für sich allein.

Manche mögen es, im Verkehr Musik zu hören. Ich empfehle Klassik im Öffentlichen Personennahverkehr und Rockmusik zum Mitsingen, wenn man Auto fährt.

Im Theater selbst rate ich dazu, während der Phase der persönlichen Vorbereitung auf folgendes zu achten.

  1. Sorgt für euer physisches Wohl.
    Nutzt die Zeit der persönlichen Vorbereitung, falls ihr noch einen kleinen Snack zur Stärkung benötigt . Zwischendurch-Essen bei der Showbesprechung oder gar beim Warm Up tut weder euch noch der Gruppe gut.
    Für den Gang auf die Toilette gilt das Gleiche.
  2. Nutzt die Zeit, um euch umzuziehen.
    Selbst wenn eure Gruppe leger in Alltagskleidung spielt, solltet ihr durchs Umziehen einen Übergang schaffen. Winterstiefel oder Sandalen sollten auf der Bühne allenfalls als Kostümelemente vorkommen.
  3. Make Up ist zumindest dann angebracht, wenn ihr mit starken Scheinwerfern arbeitet und wenn seit dem frühen ein blühender Pickel euer Begleiter ist. Wer zu hellen Augenbrauen oder zu Augenringen neigt, wird wohl ebenfalls Abhilfe schaffen wollen.
  4. Findet eure innere Ruhe.
    Innere Ruhe zu finden, heißt für viele, das Lampenfieber in den Griff zu kriegen. Ein kleines Maß an Aufregung ist OK, da es einen wach hält, aber echtes Lampenfieber bedeutet letztlich Bühnenangst. Bei vielen führt diese Angst zu Übersprungshandlungen: Die Show bis ins letzte Detail besprechen, sich andauernd nachschminken, die Technik immer wieder überprüfen und nachbessern, usw.
    Eine gute Möglichkeit, das Lampenfieber zu senken und die rasenden Gedanken zu beruhigen, ist eine kleine Meditation: Suche dir dafür ein Plätzchen, wo du einigermaßen ungestört bist. Verschließe dir eventuell deine Ohren mit Ohrstöpseln. Setze dich. Nimm deinen Körper wahr. Nimm deinen Atem wahr. Schließe die Augen und achte nur auf deinen Atem. Wenn du von anderen Gedanken gestört bist, lächle, wenn sie vorbeiziehen. Öffne nach einer Minute die Augen. Lächle und freue dich auf das, was gleich bevorsteht.
  5. Finde einen Moment der Konzentration auf die Show.
    Gehe kurz noch mal für dich die wichtigsten Punkte des Ablaufs durch. Nimm dir einen, maximal zwei Fokuspunkte für die heutige Show vor. 

Backstage vor der Show – Technische Vorbereitung

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Im besten Fall habt ihr einen Techniker, der für euch alle ton-, licht- und bühnentechnischen Vorbereitungen trifft. Dazu gehört als Minimum:

  • Einrichtung der Scheinwerfer
  • Soundcheck
  • Vorbereitung von Show-Utensilien (Stift, Papier, Stoppuhr usw.) und Requisiten (Stühle und eventuell andere Objekte)

Eventuell erweitert sich die Aufgabe der Techniker um:

  • Bühnenaufbau
  • Bestuhlung des Publikums-Saals
  • Vorbereitung von Kasse und Einlass
  • Pausen- und Einlassmusik

Wenn man zum ersten Mal auf einer neuen Bühne steht, gehört es zur technischen Vorbereitung, sie auszuprobieren und abzuschreiten und die Akustik auszuprobieren. Seht zu, dass ihr bei Bühnen, die ihr regelmäßig bespielt, für die Mikrofone die richtige Einstellungen findet und euch notiert, damit ihr euch nicht jedes Mal aufs Neue die mühselige und zeitraubende Arbeit des Soundcheck machen müsst.

Backstage vor der Show – Vorbesprechung

Im besten Falle gibt es vor der Show nicht viel zu diskutieren, da das Format bereits feststeht. In diesem Falle ist nicht mehr zu tun, als noch mal ein paar Grundsätze zu besprechen: Mit welcher Grundhaltung gehen wir in diese Show? Was ist unser Hauptfokus? Worauf soll der Moderator achten? usw.
Bei game-orientierten Shows, inklusive Theatersport, stellt sich immer wieder die Frage, ob die Games vorher abgesprochen werden sollen oder nicht.
Mit meiner allerersten Improgruppe verbrachte ich manchmal bis zu einer Stunde vor der Show in einem italienischen Café, um die Pros und Contras einzelner Games und ihre Reihenfolge zu diskutieren. Hinterher waren wir schon geistig so ermüdet, dass wir alle Kraft zusammennehmen mussten, um wieder in eine spielerische Stimmung zu kommen.
Ich denke, es liegt ein besonderer Reiz darin, sich gegenseitig mit Games zu überraschen oder sich vom Moderator überraschen zu lassen.
„Aber wenn er dann ein Spiel aussucht, dass wir gar nicht kennen?“
Umso besser! Wenn man unbefangen und energetisch an ein Spiel herangeht, wirkt man auch viel frischer. Eine Ausnahme würde ich allenfalls bei technisch anspruchsvollen Spielen machen. Wenn man z.B. noch nie eine Dreier-Synchro-Szene gespielt hat, kann das extrem kompliziert wirken und das Spielen versteifen.
Klärt vorher ab, falls euch bestimmte theatrale Mittel nicht liegen. Wenn du ungern singst, ist es womöglich nicht sehr sinnvoll, eine zwanzigminütige gemeinsame Oper zu spielen, deren Hauptfigur ausgerechnet du bist. Und mit einem lädierten Knie wirst du sicherlich kein improvisiertes Ballett spielen wollen.
Wenn ihr ein Format spielt, in dem die Spieler selbst die Games bestimmen und ihr sprecht euch vorher nicht darüber ab, liegt es nahe, mehrere Games in der Hinterhand zu haben, falls einer der Kollegen ausgerechnet das Game spielen lässt, das man selber vorschlagen wollte.
Unter Umständen kann man sich auch dafür entscheiden, die Show „einzurahmen“, zum Beispiel festzulegen, dass man mit einem kleinen Warm-Up-Game wie „Freeze Tags“ beginnt oder mit einem Crowdpleaser, z.B. einem großen musikalischen Format, endet.
Falls ihr dennoch den kompletten Ablauf einer Game-Show vor der Show besprechen wollt (und ich weiß, dass sich vor allem Impro-Neulinge davon nur ungern abbringen lassen), rate ich dazu, mit offenem Herzen in die Besprechung zu gehen, statt auf der Suche nach der perfekten Show jeden Vorschlag unter die Lupe zu nehmen und zu zerpflücken. Sammelt in einer Brainstorming-Runde genügend Vorschläge. Als nächstes können kurz Nachfragen gestellt werden, falls der Name eines Spiels oder seine Technik unbekannt ist. Und schließlich darf jeder reihum ein Spiel von der Liste streichen, bis die Anzahl der nötigen Spiele erreicht ist.
Für Langformen ist es (auch aus werbetaktischen Gründen) sinnvoll, sich schon vor der Show auf ein Format zu einigen. Nichtsdestotrotz kann es nötig sein, dass man sich anders entscheidet oder einen Plan B aus der Tasche ziehen muss. Dann gilt im Grunde dasselbe wie für die Besprechung von Game-Shows: Seid offen und konstruktiv. Geht nicht nur von eigenen Wünschen und Bedürfnissen aus, sondern zieht auch die Fähigkeiten eurer Mitspieler in Erwägung. (Wenn drei meiner Mitspieler nur schlecht den Ton halten können, ist es sinnlos, mir ein Musical zu wünschen auch wenn ich es selber mag. Vielleicht magst du das Genre Screwball-Comedy, aber wenn deine Mitspielerin das noch nie gesehen hat, wird sie vielleicht eine kurze Szene dazu improvisieren können, aber das Stück in seiner Langform wird höchstwahrscheinlich darunter leiden.)

Lead character vs side character

(starting at 1:45)
“The lead character can make choices that come out of their own psychology, and not out of the pressures of their world around them so much. Whereas the side characters or secondary characters are very much reacting oftentimes to the plot for the lead character’s choices. So, in “Breaking Bad”, when Walter White is supposed to return that sports car and he goes on a joy ride and just fucks it up… I mean, that choice of plot is completely justified and perfect and says a lot about him and fits and is also fun. But he doesn’t need…”
“It’s not advancing the story?”
”He can just return the car. And nobody would go: ‘Wait, shouldn’t he be on a joy ride?‘ (…) It’s a choice that is not dictated by anything but by the person’s character.”

„Die Hauptfigur kann Entscheidungen aus ihrer eigenen Psychologie her treffen und ist nicht so sehr abhängig von den Anforderungen der Welt, die sie umgibt. Hingegen reagieren die Nebenfiguren sehr oft auf den Plot für die Hauptfigur. In ‚Breaking Bad‘, wenn Walter White das Sportauto zurückgeben soll und er unternimmt eine Spritztour und ruiniert das Auto… Also, diese Plot-Entscheidung ist völlig gerechtfertigt und perfekt und sagt viel über ihn aus und es passt und macht außerdem Spaß. Aber er muss nicht unbedingt…“
„Es treibt die Story nicht voran?“
„Ja. Er kann einfach den Wagen zurückgeben. Und keiner würde sagen: „Moment mal, müsste er jetzt nicht eine Spritztour unternehmen? (…) Es ist eine Entscheidung, die durch nichts diktiert wird außer durch den Charakter dieser Person.“

Backstage vor der Show – Plauderei

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Leichtes Geplauder hilft vielen Spielern, überhaupt als Gruppe zusammenzukommen. Man fühlt sich gehört. Und schließlich kann heitere Plauderei schon wie ein kleines spielerisches Aufwärmen funktionieren.
Geplauder hält allerdings einige Fallen parat. Daher hier ein paar Ratschläge:

  1. Behaltet die Zeit im Auge. Plauderei ist ihrem Wesen nach zielfrei und mäandert vor sich hin. Wenn das auf Kosten der essentiellen Dinge wie Aufwärmen und technische Vorbereitung geht, ist das fatal.
  2. Haltet die Plauderei leicht. Schwere oder kontroverse Themen sind tabu. 
  3. Lästert nicht!
  4. Auch wenn heiteres Geplauder mal in Sarkasmen umschlagen kann, sollte man darauf achten, dass daraus keine negative Energie entsteht. Dauerhafter Zynismus ist unbedingt zu vermeiden.
  5. Nicht jeder liebt es zu plaudern. Für andere gibt es nichts Schöneres. Findet eine angemessene Balance zwischen den individuellen Bedürfnissen.

Anmerkung zu Punkt 2: Dies kann manchmal schwierig sein, gerade wenn einen wirklich etwas bedrückt. Aber ein gewisses Maß an Sorgenfreiheit im Backstage gehört zur Gruppen-Psychohygiene dazu. 

Improtheater Backstage

Wenn die Bühne die Heilige Sphäre ist, so ist das Backstage der Vorraum dazu. Behandelt den Backstage-Raum mit Respekt, egal ob auch andere ihn nutzen oder ihr den Luxus eines eigenen Theaters habt, egal ob euer Backstage nur eine kleine Kammer oder ein großer Raum mit eigener Bar und Badezimmer ist. Hier im Backstage beginnt die Verwandlung. Hier legt ihr euer Alltags-Ich ab und werdet zu Bühnen-Improvisierern. Hier verbindet ihr euch mit euren Spielpartnern zu etwas Größerem. Macht euch also das Backstage so angenehm wie möglich.
Das meine ich zunächst einmal in einem ganz einfachen physischen Sinne: Haltet es sauber und vermüllt es nicht. Wenn ihr im Backstage Kostüme und Requisiten aufbewahrt, sollten sie pfleglich behandelt werden. Ungenutzter Kram kann verschwinden. Und hinterlasst den Raum auch mit Respekt.
Wir können diesen Respekt auch aufs Spirituelle erweitern: Lasst eure negative Last und eure Alltags-Sorgen so weit wie möglich draußen. Natürlich wird das nicht immer zu hundert Prozent möglich sein. So wie ihr euch eurer Alltagskleidung entledigt und euch für die Bühne umzieht, so findet auch im Kopf eine Wandlung statt. (Insofern ist das Backstage auch ein Transformations-Raum.) Aber, um im Bild zu bleiben, man putzt sich ja auch die Schuhe ab, bevor man den Raum betritt. Und ebenso möge man auch kurz innehalten und nicht die schlechte Laune, die man wegen des nervigen Chefs oder des Verkehrsstaus bis eben noch mit sich herumgetragen hat, im Backstage abladen.
Die Grundstimmung, die im Backstage herrschen sollte, ist gute Laune. Das betrifft ganz besonders die Zeit vor der Show. Geht in heiterer Stimmung miteinander um. Vermeidet alles, was schlechte Stimmung oder Grübeleien verursachen könnte. Die Zeit vor der Show ist ziemlich ungeeignet, organisatorische Fragen zu besprechen. Das kann vor allem für jene Spieler, sie sich um Organisatorisches kümmern, etwas schwierig auszuhalten sein, vor allem wenn einem unbeantwortete E-Mails und ungelöste Fragen im Nacken sitzen. Aber jeder Moment ist für die Klärung dieser Fragen besser, als die Zeit vor der Show.
Für die Zeit vor der Show sollte man Folgendes einplanen:
1. Ankommen und Geplauder
2. Besprechung der Show
3. Technische Vorbereitungen
4. Persönliche Vorbereitung
5. Gruppen-Aufwärmen
Aufwand, Intensität und Reihenfolge dieser einzelnen Elemente können von Gruppe zu Gruppe stark variieren, da sie von persönlichen Bedürfnissen und äußerlichen Erfordernissen abhängen.

Details zu diesen Elementen in den kommenden Tagen.

Bedingungslose Hingabe

Extreme Hingabe zum Spiel löst Freude beim Publikum aus. Wenn man sieht, dass die Spieler bis an den Rand ihres Könnens (und vielleicht sogar darüber hinaus) gehen, sind wir begeistert. Diese Hingabe ist beim Improtheater oft mehr wert, als schauspielerisches Können oder die technische Beherrschung der Games. Deshalb schaue ich mir recht gerne Szenen von begeisterten Impro-Anfängern an, die noch nicht zu viel von Storytelling, Szenen-Strukturen, Staging usw. wissen. Dann genügt es bisweilen schon, wenn sie einfach eine Vorgabe bedienen oder auf ein seltsames Angebot eingehen, dass einen die Impro-Komik innerlich schier zerreißt.

Warum ich in Aktien investiere, warum die Renditen ziemlich hoch sind, und warum ich denke, dass das ethisch in Ordnung ist

Im Stück „Die Maßnahme“ von Brecht singt der schurkische Spekulant:
Weiß ich, was ein Reis ist?
Weiß ich, wer das weiß!
Ich weiß nicht, was ein Reis ist
Ich kenne nur seinen Preis.
Diese entmenschlichte Haltung war mein Bild vom Spekulanten. Wenn mir vor zwanzig Jahren jemand gesagt hätte, dass ich irgendwann in Aktien investieren würde, hätte ich ihm wohl einen Vogel gezeigt. Börsenspekulation war für mich praktisch der Inbegriff der düsteren und kalten Seite des Kapitalismus.
Ich habe meine Haltung nicht schlagartig geändert. Vielmehr fügten sich ein paar Puzzleteile nach und nach zu einem neuen Bild.
Es begann natürlich mit den Rentenbescheiden der Deutschen Rentenversicherung, in denen es hieß, ich würde eines Tages von 150,- Euro Rente leben müssen. Später war von 300,- Euro die Rede. Inzwischen von 450,- Euro. Wenn es so weiter geht und ich weiterhin zwar gut von meiner Kunst leben kann, aber weder einen Erfolgsroman schreibe noch meine Impro-Kurse nicht auf Manager-Seminaren als Creativity-Bombe anbiete, werde ich als alter Mann mit 1.000 Euro knapp über dem Hartz-IV-Satz leben müssen.
Ich begann also im Alter von vierzig Jahren das zu tun, wozu mir Eltern und Oma immer geraten hatten: An die Rente zu denken. Aber würde mit meinem Geld auch kein Schindluder getrieben? Ich wurde auf eine ethisch akzeptable Möglichkeit aufmerksam: Einen „ökologischen“ Fonds. Fonds schienen mir eine finanziell eine feine Sache: Man zahlte jeden Monat eine bestimmte Summe ein, und wenn die Kurse des Pakets niedrig lagen, kaufte man mehr, wenn sie hoch standen, kaufte man weniger. Ich zahlte also monatlich in Fonds ein, die in Windkraft, Solarenergie usw. investierten. Es gab allerdings zwei Probleme: Nach vier Jahren hatte ich lediglich zwei Prozent Rendite (auf den gesamten Zeitraum gerechnet!). Da hätte ich bei einem ordinären Tagesgeldkonto mehr erwirtschaftet. Aber mindestens ebenso schlimm: Als ich in die Details der Fonds schaute, sah ich, dass sich darunter auch Firmen wie Tepco befanden. Tepco? Genau. Die mit dem AKW in Fukushima.
Etwa zur selben Zeit erfuhr ich von Smava. Bei Smava vergibt man, kurz gesagt, Kleinkredite an Private, die sich ein Auto kaufen wollen, das Haus sanieren oder den Grundstein für die Selbständigkeit legen wollen. Der Witz an der Sache wäre, dass man sich aussuchen kann, wen man für vertrauenswürdig und welches Projekt man für finanzierungswürdig hält. Die Zinsen waren OK, Smava hat ein Auffangnetz für Ausfälle eingerichtet, und als Darlehenssystem funktioniert es wunderbar. Leider erfährt man bei den meisten Projekten dann eben doch nicht, worum es geht. Da heißt es dann „Kredit-Projekt aus Nordrhein-Westfalen“ oder „Mein Projekt verwirklichen“. Und ob man da jemandem beim Hausbau unter die Arme greift oder bei der Finanzierung des protzigen SUV lässt sich eben nicht immer sagen.
Schließlich las ich das Buch von Susanne Levermann. Oder besser gesagt, ich las zuerst ein Interview mit ihr in der taz. Levermann war einst die erfolgreichste Fonds-Managerin in Deutschland. Dann warf sie das Handtuch und widmete sich sinnvolleren Dingen wie Mathe-Nachhilfe für Schüler. Aber mit ihrem Abgang von der Börse hinterließ sie noch ein Buch für Klein-Anleger: „Der entspannte Weg zum Reichtum“. (Ich wette um ein vegetarisches Abendessen, dass der bescheuerte Titel vom Verlag stammt.)
Dieses Buch besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil erklärt Levermann einigermaßen anschaulich, wie Aktien funktionieren, was man unter den unappetitlichen Fachbegriffen „EBIT-Marge“, Eigenkapitalrendite und anderen Kriterien der Aktien-Begutachtung zu verstehen hat. Ich muss gestehen, dass ich so manches davon wieder vergessen habe bzw. immer wieder mal nachschlagen muss, falls mich der Wissenshunger antreibt.
Aber das ist auch gar nicht so wichtig. Für den finanziellen Erfolg entscheidend ist der zweite Teil. Darin erläutert sie, auf welche dreizehn Punkte man beim Anlegen in eine Aktie achten sollte. Dazu zählen u.a. die bereits genannte EBIT-Marge und die Eigenkapitalrendite, aber auch die langfristige Entwicklung des Aktienkurses, die Eigenkapitalquote und das KGV. Für jeden Wert gibt es einen Plus- oder einen Minus-Punkt. Schließlich addiert man die Punkte, und anhand der Punktzahl wird entschieden, ob man die Aktien kaufen darf, halten soll oder verkaufen muss. Das ist, wie der Titel des Buches nahelegt, entspannter als es zunächst klingt, da sich die meisten Punktzahlen nur alle paar Monate ändern. Die größte Arbeit besteht eher darin, Aktien zu finden, die die erforderliche Punktezahl zum Kaufen überhaupt erreichen.
Das Levermann-System ist unter Börsen-Fans und Fachleuten bekannt und wird durchweg als seriös eingeschätzt. Man könnte sich nun wundern, warum, wenn es denn so super funktioniert, nicht auch alle machen. Das hat meines Erachtens mit zwei Dingen zu tun: Erstens ist, wie schon erwähnt, das Finden von Aktien, die den Levermann-Kriterien entsprechen, gar nicht so einfach. Zum Zeitpunkt, da ich diesen Text schreibe, sind es gerade mal vier von dreißig Dax-Unternehmen. Das per Hand auszurechnen, kann ein wenig mühsam sein. (Ich lade mir inzwischen die meisten Werte online in eine Excel-Tabelle.) Zum Zweiten widerstreben einige Levermann-Regeln der Intuition: Wenn zum Beispiel viele Analysten einen Large-Cap-Wert loben, gibt es Punktabzug, da man, so Levermann, davon ausgehen kann, dass diese Aktie gerade hochgejazzt wird. Viele Aktien-Anleger lieben aber diese Art von kühler quantitativer Regel und Kontra-Intuitivität nicht. Entweder sie zählen zu dauerhaften Aktien-Haltern, die ihre VW-Aktien mal von den Großeltern geschenkt bekommen haben bzw. zu jenen beklagenswerten Aktien-Opfern, die an ihrer damals erworbener Telekom-Aktie festhalten, weil der sagenhafte Verlust doch irgendwann man wieder eingespielt werden sollte. Oder sie checken stündlich die Kursverläufe ihrer Aktien, dröhnen sich mit Wirtschaftsnachrichten zu, kaufen und verkaufen täglich immer und immer wieder und sind im Grunde Lotterie-Spieler.
Levermann hält die Leser ihres Buchs dazu an, nicht allzu emotional mit ihrer Aktie verbunden zu sein, also zum Beispiel nicht die Aktie eines Unternehmens zu halten, nur weil man dessen Produkte mag oder weil man nicht wahrhaben will, dass man Geld verloren hat. Interessanterweise spielt bei Diskussionen zu Levermann der dritte Teil ihres Buches fast nie eine große Rolle. Dabei ist er für mich entscheidend gewesen, den ersten Schritt in die Aktienwelt überhaupt zu wagen. Es geht um die Frage der Ethik. Kann man mit seiner Geld-Anlage Gutes tun oder Schlimmes verhindern? Ich glaube inzwischen: Ja, man kann. Zunächst dachte ich, toll, dann investiere ich jetzt einfach in Öko-Projekte und lauter ethisch lobenswerte visionäre Unternehmen. Allerdings musste ich mich von dieser Illusion verabschieden. Denn so viele aktiennotierte Unternehmen dieser Art gibt es überhaupt nicht. Und es nützt ja auch nichts, in ein Solar-Unternehmen zu investieren und dabei Geld zu verlieren. Wenn ich spenden will, dann mache ich das anderswo.
Ich war aber daraufhin gezwungen, mir das Ethik-Problem genauer durch den Kopf gehen zu lassen. Die Frage, die ich mir dann stellte, lautete: Wie sieht eine Welt aus, in der ich gerne leben möchte? Gehören dazu Fahrradgangschaltungen, Webmaschinen und medizinische Geräte? (Drei Unternehmen, in die ich gerade investiere, produzieren genau das.) Ich habe mich also umorientiert von der Einschluss-Vision (nur Öko-Aktien) hin zu Ausschluss-Kriterien: Keine Rüstung, keine Automobil-und Zuliefer-Industrie, keine Immobilienfirmen, keine Firmen, die massiv Umwelt- oder Menschenrechts-Standards unterschreiten. Es gibt freilich Zonen, in denen es schwammig wird: Sind Maschinenbau-Unternehmen OK, die die Hälfte ihres Umsatzes als Automobil-Zulieferer machen? Sind Unternehmen OK, zu deren Kunden nicht nur aber auch das Militär gehört (also praktisch jedes größere Software-Unternehmen)?
Dass man Kriterien hat, ist auch keine Garantie dafür, sich nicht ungeheuer zu irren. So verließ ich mich gleich zu Beginn auf den „Dow Jones Sustainability Index“ und investierte in „Hewlett Packard“, was auch ordentlich Rendite abwarf, musste aber nach einem halben Jahr feststellen, dass dieses Unternehmen, von dem ich ungeprüft davon ausging, dass es Computer und Drucker produzierte, der zehntgrößte Rüstungskonzern der USA war, was anscheinend für die Kriterien-Aussucher des Dow Jones Sustainability-Index kein Ausschluss-Kriterium ist. Inzwischen kann ich in der Regel schneller beurteilen, ob ein Unternehmen Dreck am Stecken hat. Natürlich bleibt ein bisschen Unsicherheit bei dem einen oder anderen Unternehmen. Aber die hat man auch beim Tagesgeldkonto der Bank.
Am Ende muss natürlich jeder seine Kriterien selbst festlegen. Für mich zum Beispiel sind Pharma-Unternehmen nicht per se ein Ausschluss-Kriterium, da ich mindestens einmal pro Monat auf die Produkte dieser Branche angewiesen bin. Um im NAI gelistete Homöopathie-Unternehmen schlage ich allerdings einen Bogen. Bei einigen meiner Freundinnen dürfte es andersrum laufen. Man kann bei Aktien-Investitionen seine persönlichen Grenzen ziemlich klar ziehen, zumindest klarer, als wenn man seine Moneten in Festgeld bei einer Bank anlegt, die am Ende doch Finanz-Derivat-Abenteuer unternimmt oder in Rüstung investiert.
Um nun aber mal zu den harten Fakten zu kommen: Levermann verspricht in ihrem Buch eine Rendite von zehn bis zwanzig Prozent pro Jahr. Das ist ordentlich. Die besten Festgeldzinsen liegen in Deutschland gerade bei drei Prozent pro Jahr. Bei Smava bekommt man mit viel Glück sechs Prozent.
Für alle Leser, die sich auch nie so recht vorstellen können, wie Zinseszins funktioniert: Aus 10.000 Euro werden bei 15 Prozent jährlicher Rendite nach zwanzig Jahren gut 140.000 Euro. Nach vierzig Jahren über zwei Millionen. (Steuern sind hier unbeachtet.)
Ich wäre nach der Fonds-Enttäuschung schon über sieben Prozent froh gewesen. Tatsächlich wurden es bei mir 25 Prozent jährliche Rendite. Ich habe knapp drei Jahre (genaugenommen 33 Monate) gewartet, darüber zu schreiben. Schließlich beweist sich so ein System erst auf lange Sicht. 25 Prozent jährliche Rendite bedeuten für diesen Gesamtzeitraum 87 Prozent. Und ja: Es gibt durchaus Schwankungen. Im ersten Jahr waren es über dreißig Prozent, im zweiten Jahr sechs Prozent. Aber stets lag ich (oder besser: das Levermann-System) deutlich über den relevanten Indizes DAX, MDAX, SDAX, Dow Jones und Nasdaq. Im gleichen Zeitraum stieg der DAX nur um 19 Prozent.
Um auf Brecht zurückzukommen: Tatsächlich weiß ich manchmal nicht, „was ein Reis ist“. Aber durch die Beschäftigung mit dem Thema sind auch meine prinzipiellen Bedenken gegenüber der Börse ein wenig zurückgegangen. Ich glaube tatsächlich, dass sie grundsätzlich zu einer rationaleren Allokation von Mitteln beiträgt. Ich sehe auch, dass sie schlimme Verwerfungen zu verantworten hat. Aus den Marktbereichen, die das betrifft, versuche ich mich herauszuhalten. Und ich glaube, dass ich dadurch moralischer handle, als jemand, der seine Rente der Allianz-Versicherung oder einem x-beliebigen Fonds anvertraut.

Geht es noch entspannter? Vielleicht. Wikifolio bietet Aktieninvestment 2.0 an: Man legt einfach in Portfolios anderer Investoren an, deren Performance oder Kriterien einen überzeugen. Aber bisher habe ich dort kein Portfolio gefunden, dass sowohl meinen Rendite-Erwartungen als auch meinen ethischen Kriterien entsprach. Eine Ausnahme ist vielleicht mein eigenes. Wikifolio Ethisch Investieren. Die aufmerksame Leserin wird bemerken, dass die Rendite nicht ganz so hoch ist, wie im Text oben angepriesen. Die Gründe dafür sind schnell genannt: 1. Ich habe das Wikifolio zum ungünstigsten Zeitpunkt eröffnet, nämlich im Dezember 2014, als die Aktienwerte fielen. 2. Der Anbieter (icke) zahlt eine tägliche kleine virtuelle Gebühr, die die Rendite schmälert. 3. Einige der wichtigsten Aktien meines eigenen Portfolios sind kleine nicht-deutsche Unternehmen der Euro-Zone, die aber bei Wikifolio nicht handelbar sind. Aber ich glaube, mit meiner jährlichen Wikifolio-Rendite von 20 Prozent bin ich durchaus im attraktiven Rahmen.

Komplexer spielen: Handlung nicht thematisieren

Schauen wir uns den Beginn einer durchschnittlichen Impro-Szene an.

  • Spielerin A übt Tennis-Aufschläge.
  • Spieler B: „Wunderbar, Ines! Ich habe noch ein Mädchen in deinem Alter mit so einem harten Aufschlag gesehen.“
  • Ines: „Danke, Herr Köhler. Aber ich sorge mich noch um meine Rückhand.“
  • Trainer: „Das kriegen wir vor den German Open Qualifikationen schon noch hin.“

An diesem Szenenstart ist nichts auszusetzen: Wir beginnen mit einer soliden Plattform. Die Story könnte sich Richtung Heldenreise entwickeln: Der talentierten Tennisspielerin werden Steine in den Weg gelegt. Oder sie muss sich entscheiden zwischen Tennis-Karriere und der Fürsorge für ihren pflegebedürftigen Bruder usw.
Es ist nicht die dümmste Option, für einen Szenenstart das zu thematisieren, was schon offensichtlich ist, und Spieler B begeht auch nicht den Fehler, die Handlung negativ zu kommentieren, man dürfe hier kein Tennis spielen oder das sei das schlechteste Tennis überhaupt. Auch die naheliegende Falle, eine reine Unterrichtsszene zu spielen, wird umschifft.
Sehen wir uns nun folgenden Alternativ-Verlauf an:

  • Spielerin A übt Tennis-Aufschläge.
  • Spieler B: „Meinst du das ernst, Ines?“
  • Ines (weiter übend): „Todernst, Herr Köhler. Und ich lasse mir da nicht reinreden. Auch von Ihnen als Trainer nicht.“
  • Trainer: „Ich weiß, ich hätte aufpassen sollen. Aber ich dachte, du nimmst die Pille.“
  • Ines: „Ich krieg das Kind. Basta!“

Ob diese Szene „besser“ wird als die erste, lässt sich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht sagen. Sie wirkt jedoch erst einmal komplexer, weil wir eine zweite Ebene dazugenommen haben. Das Tennis-Üben muss nicht thematisiert werden, da wir es sowieso schon sehen. Die physische Handlung ist aber mehr als nur optischer und bewegungsdynamischer Hintergrund der Szene. Sie gibt dem Inhalt der Szene und sicherlich auch dem Verlauf der Story einen speziellen Dreh: Die angespannte Beziehung der beiden, die sexuelle Implikation, das ethische Drama einer möglichen Abtreibung, die Frage des Missbrauchs der Trainer-Position, das alles schwebt nicht im luftleeren Raum, sondern findet im Tennis-Milieu statt, ohne dass wir das aussprechen müssten.
Für die meisten Anfänger ist es schwierig, die Handlung nicht zu thematisieren, da man scheinbar auf nichts anderes zurückgreifen kann. Aber hier ist die Hauptinspirations-Quelle unser Partner. Leider gibt es vereinzelt Zuschauer, auf die diese Art des Improvisierens irgendwie unimprovisiert, ausgedacht, verabredet wirkt, da sie von zu viel oberflächlichem Alles-Benennen-Improtheater verdorben sind. Aber von diesen Einzelstimmen sollte man sich nicht zu schnell irritieren lassen.
Anfänger finden es oft schwierig, nicht das zu benennen, was direkt vor ihrer Nase stattfindet.

Und so lässt sich das üben:
Zwei Spieler bekommen eine gemeinsame Routine-Handlung.
Aufgabe: Findet ein Thema, das nichts mit der Handlung zu tun hat und vertieft dieses.

Diese einfache Übung eignet sich sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene. Für den Anfang genügen einfache Handlungs-Sequenzen, etwa Fensterputzen. Fortgeschrittene können komplexere, kooperative Tätigkeiten wählen, zum Beispiel gemeinsam ein Zelt aufbauen, gemeinsam jagen, eine Wohnung einrichten.
Richtig komplex aber eben auch schön wird es, wenn die äußere Handlung den Inhalt „kommentiert“, d.h. wenn zum Beispiel zwei Freunde ein Boot putzen und einer der beiden von seiner neuen Freundin schwärmt und währenddessen das Boot-Putzen immer zärtlicher und liebevoller wird.

Und wenn man noch einen draufsetzen will, kann sich die äußere Handlung auf eine dritte Person beziehen, die aber nicht selbst in das Gespräch einbezogen wird, etwa eine Zahn-OP, ein bürokratischer Vorgang oder Gefängnis-Wärter, die die Gefangenen einsperren. 

Nicht jede kleine Irritation thematisieren

Wisse Bescheid! Gerade beim Aufbau einer Szene haben wir es mit vielen Unbekannten zu tun: Wir wissen nicht, wer unser Gegenüber ist, wo wir gerade sind, warum er sich gerade die Hände wäscht und warum er dabei traurig guckt.
Der schlimmstmögliche Spieler würde nun sagen: „Wer sind Sie? Und warum waschen Sie sich so traurig die Hände?“
Um in der Szene voranzukommen, müssen wir positive Annahmen machen. „Positiv“ heißt hier: Bestätigend, normal.
Das heißt, auch wenn ich als Spieler noch nicht weiß, was hier los ist, weiß meine Figur sehr wohl Bescheid. Und dieses Bescheidwissen muss ich auf mich als Spieler übertragen.
Ich weiß, wer mein Gegenüber ist.
Ich weiß, warum er das tut, was er gerade tut.
Seine Handlung ist nicht verboten, störend oder unpassend.
Ich weiß, warum er diese Emotion gerade hat.
Ich weiß, wo wir sind.
Zögernde Spieler tendieren dazu, die Definitionslast ihrem Mitspieler zu überlassen.
Manchmal sind sie aber auch einfach zu höflich: Sie glauben, ihr Mitspieler hätte schon einen Plan, den sie nicht zerstören wollen. Diese Höflichkeit ist zwar ganz nett, hilft uns aber nicht weiter.
Nehmen wir also an, unser Mitspieler beginnt die Szene damit, sich die Hände zu waschen. Wir stehen daneben und haben keine Idee, warum er das tut. Wir können nicht wissen, ob unser Mitspieler weiß, wo er ist und warum er das tut. Aber wir wissen, dass das Publikum es ebenfalls nicht weiß. Und solange das Publikum es nicht weiß, können wir es genauso gut definieren.
„Aber überrolle ich dann nicht meinen Mitspieler?“
Nein, das tust du nicht.
Nehmen wir an, dein Mitspieler hat einen Plan, warum er sich die Hände wäscht, dann ist es eben nur ein Plan. Improtheater geschieht aber im Moment. Und da ist dein Angebot so viel Wert wie seines. Ideen und Pläne zählen nicht. Es zählt nur das, was auf der Bühne geschieht. Ein guter Improspieler wird froh sein über ein irritierendes Angebot, selbst wenn er eine vage Vorstellung hatte.
Es kann aber auch sein, dass dein Mitspieler überhaupt keinen Plan hat. Dann wird er erst recht froh sein über ein Angebot von dir.
„Und wenn mir nichts einfällt?“
Uns fällt nichts ein, wenn das negative Denken den Geist dominiert. Bei vielen Improschülern ist das schon an der Körpersprache zu beobachten. Sie verschränken die Arme, zucken mit den Schultern oder schütteln gar leicht den Kopf.
Negative Körperlichkeit und negativer Geist bedingen sich gegenseitig.
Die gute Nachricht ist: Es funktioniert auch umgekehrt: Positive Körperlichkeit und positiver Geist bedingen sich gegenseitig.
Also:
Entfesselt euch körperlich!
Öffnet die Augen!
Nickt!
Sagt vielleicht sogar leise: „Jaaa!“
Auch ich selbst bin jedes Mal wieder erstaunt, wie schnell dann plötzlich die Assoziationsmaschine anspringt.

Harsche Kritik, die uns erfreute

Vor ca. zwei Jahren improvisierten wir (Foxy Freestyle) ein zweistündiges Stück im Stil von Tennessee Williams. Ein Titel und zwei, drei Vorschläge zu Beginn waren alles, was wir uns vom Publikum geben ließen. Das Stück war in unseren Augen und anscheinend auch in den Augen der meisten Zuschauer großartig. Ein Zuschauer hinterließ allerdings in einem Online-Bewertungs-Forum die kritische Bemerkung:
„Sehr schönes Theaterstück. Aber leider kein Improvisationstheater. Denn wenn das improvisiert gewesen wäre, dann wären die Schauspieler ja Genies.“
Lächelnd nahmen wir diese schöne Kritik zur Kenntnis.

Through the lense of others…

Let’s try not to copy too much other peoples‘ styles, genres, attitudes.
Let’s find our own voice.
Let’s be inspired by other artists works, not suffocated.

„The great difference between great movies and passable ones: When passable movies observe human experience, they observe it not through the lense of real life but through the lense of other movies.“
(4:30 Min)

Kontrastieren oder Kopieren

Wenn ich als Improspieler einen neuen Impuls in die Szene geben will, stelle ich mir die Frage: „Braucht die Szene mehr vom Selben? Oder braucht sie das Gegenteil?“ Dabei kann ich mein Augenmerk auf verschiedene Elemente der Szene richten, zum Beispiel:
Ist die Szene düster oder leicht?
Sind die Charaktere positiv oder bedrohlich?
Welche Körperlichkeit haben die Charaktere?
An welcher Stelle des impliziten Games befinden wir uns?
An welcher Stelle der Story befinden wir uns?
Ist die Szene laut und derbe oder leise und zart?
Ist die Szene schnell oder langsam?
Die Liste könnte nach Belieben erweitert werden. Entscheidend ist, dass wir hier nicht besonders „inhaltlich denken“. Es sind eher die formalen Aspekte, die uns herausfordern.
Vielleicht verallgemeinere ich etwas, aber als Daumenregel könnten wir sagen:
Die Szene verträgt Kopieren, wenn sie im Aufbau begriffen ist, wenn etwas verstärkt werden muss. Kontraste dienen der Vielfalt.
Wie wir schon besprochen haben, wird das Kopieren oft unterschätzt. Selbst wenn schon vier Spieler in den improvisierten Chor einstimmen, kann man immer noch einen draufsetzen, wenn man als fünfter dazukommt. Und der neunzehnköpfigen Tanzformation hilft auch der zwanzigste noch. Wer die Wucht der Gleichzeitigkeit großer Improgruppen einmal erlebt hat, weiß, was ich meine.
Ein schönes Beispiel für das Kopieren und Kontrastieren von Stimmungen kann man im Horror-Genre, speziell im Sub-Genre Slasher sehen: Eine Gruppe von Teenagern ist zu Beginn total fröhlich und übermütig, bis schließlich der Schrecken über sie hereinbricht. Das Positive kann ihr gar nicht groß genug sein; jeder neu hinzukommende Spieler kann eine neue Facette der Ausgelassenheit einbringen, denn so steigert sich unsere Fallhöhe. Aber es kommt der Zeitpunkt, ab dem diese Positivität der Kontrast des Bösen entgegengesetzt werden muss: Die Szene braucht einen Unhold, die Szene braucht Angst. Wenn das Unheil eine ganze Weile gelaufen ist, können wir wieder Heiterkeit durch Comic Relief einbauen.
Wenn es von der Kopie bisweilen zu wenig gibt, sehen wir manchmal vom Kontrast zu viel. Bleiben wir beim Beispiel des Grusel-Genre. Unsere Teenager-Gruppe betrinkt und befummelt sich fröhlich in der Hütte im Wald. Als ein Sturm hereinbricht, können sie nicht weg, und ein unheimlicher Jäger sucht in der Hütte Unterschlupf. Es wäre nun einigermaßen hirnrissig, die Gruseligkeit des Jägers kopieren zu wollen und außerdem noch einen wahnsinnigen Pfarrer, einen blutrünstigen Grafen, ein experimentierfreudiges Alien und Satan persönlich einzuführen. Der Schauer würde sich eher verflüchtigen als verschärfen. Auch eine Gruppe von sieben unheimlichen Jägern wäre vermutlich etwas albern.  
Kopieren verstärkt die Wucht. Kontrastieren verschärft die Spannung.
Wenn wir auf die abstrakten Elementen der Szene fokussieren, sind wir weniger gefesselt vom Inhalt.
Vor allem wenn man als Spieler im Off steht, hat man einen freien Blick für diese Elemente. Man erkennt schneller, wenn eine Szene noch etwas zusätzlichen Schwung gebrauchen kann (Kopieren ist gefragt) oder wenn sie dazu neigt, im Immergleichen zu verschwinden und Kontrastierungen nötig sind.
Zwei düstere Szenen sind meist mehr als genug – etwas Positives ist gefragt.
Nach einer längeren statischen Szene brauchen wir wieder ein bisschen Energie auf der Bühne.
Wenn wir die Beobachtungstiefe verstärken, können wir innerhalb einer Szene verschiedene Elemente kontrastieren oder kopieren.
In einer Langform mit meinen Kolleginnen Janine und Steffi entstand in einer Szene durch einen minimalen Pantomime-Fehler der Eindruck eines Bürgeramts mit verschlängelten Gängen. Sobald das einmal etabliert war, wurde es kopiert und es entstand eine surrealistische Stadt, in der die Bewohner sich in ihren Häusern nur mit seltsamen Mitteln zwischen den Räumen bewegen: schräg fahrende Aufzüge, Rutschen, Vertikalseile, Röhren usw.
Ein Kontrast durch „normales“ Treppensteigen hätte hier das Game gebrochen.
Auf der anderen Seite wurden die verschiedene Charaktere so breit gefächert wie möglich angelegt. Jeder Figur wurde ein Kontrast gegenübergestellt.

Die Adlerperspektive

Wie wichtig der Blick von außen auf die Szene ist, habe ich hier schon oft angesprochen. Diese Adlerperspektive (bisweilen auch „drittes Auge“ genannt) ist entscheidend für unsere Orientierung innerhalb einer Szene.
Für manche Spieler ist die Forderung nach einer Außensicht irritierend: „Dann ist man ja nicht mehr im Moment! Man verliert doch die Figur!“
Aber das ist nicht notwendigerweise so. Um ein Beispiel aus dem Alltag zu geben: Angenommen, ich treffe mich mit einem Kollegen zum Brunch und dabei plaudern wir über unsere neusten Ideen und Projekte. Wenn ich dabei achtsam bin, bin ich mir meines Essens bewusst, ich bin mir über die Beziehung zu meinem Kollegen ebenso klar wie über den Inhalt unseres Gesprächs. Aber außerdem ist mir natürlich der Rahmen dieses Settings klar, nämlich wo wir uns befinden und dass die Zeit verstreicht.
Multitasking ist für uns im Alltag meistens normal, wir haben es über Jahre unbewusst trainiert. In einer Impro-Szene bewegen wir uns in anderen Kategorien: Die Rolle, die Tätigkeit, die Beziehung zum Anderen, das Genre, der Inhalt – all das wird kollaborativ und spontan erschaffen. Für Impro-Anfänger kann das ungewohnt sein und sich wie Jonglieren mit fünf Bällen anfühlen. Durch fortwährendes Üben verliert sich dieses Gefühl der Überforderung nach und nach. Unsere Aufmerksamkeit kann mehrere Elemente gleichzeitig wahrnehmen, da sie uns einzeln und für sich genommen keine große Schwierigkeiten bereiten.
Die Adlerperspektive beizubehalten bedeutet nicht, zu wissen oder zu steuern, wo die Szene hingeht. Vielmehr geht es um das Bewusstwerden des gesamten Bühnengeschehens: Was passiert hier gerade? Und in welchem Kontext steht das?
Wenn ich die Adlerperspektive einnehme, wird mir bewusst, was die Szene braucht: Ausbreiten der Handlung oder Vorantreiben? Szenenwechsel oder Fortführen der Szene? Verschärfen des Inhalts oder Auflösung? Beschleunigung oder Entschleunigung?

Rechtfertigen als Bloßstellen

Erstaunlich häufig benutzen Improspieler die Technik des Rechtfertigens, um kleine Fehler ihrer Mitspieler oder Unzulänglichkeiten der Szene herauszustellen.

  • Der Spieler soll einen Franzosen spielen und kommt mit dem französischen Dialekt nicht klar. Die Mitspielerin: „Mit dem Dialekt sind Sie aber kein richtiger Franzose, oder?“
  • Ein Spieler bittet zwei Mitspieler ins Auto einzusteigen. Da aber nur zwei Stühle auf der Bühne sind, müssen die beiden hinten stehen. Der Spieler: „Wir haben in unserem extra hohen Auto absichtlich die hinteren Sitze entfernt.“
  • Ein Spieler mimt eine Tasse etwas ungeschickt. Die Mitspielerin: „Na, Sie haben ja eine extrem lange dünne Tasse!“

Bloßstellungs-Rechtfertigen wie in diesen Beispielen führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lachern im Publikum. Das Problem dabei ist nicht nur, dass es ein bisschen unkollegial ist, die Mitspieler bloßzustellen, sondern dass diese Formen des Rechtfertigens uns von dem Game oder aus der Story wegführt. Der Improspieler kommentiert das Spiel statt es zu spielen, er stellt sich über das Spiel. Die Zuschauer werden von der Szene abgelenkt und fokussieren nunmehr auf einen minimalen oder auch nur scheinbaren Fehler, den sie sonst hingenommen oder nicht einmal wahrgenommen hätten.

Die Hauptfigur im Film „Der Pate“

Im Film „Der Pate“ ist lange überhaupt nicht klar, wer die Hauptfigur ist. Durch seine zentrale Position (und durch den Titel des Films) könnte man zunächst vermuten, es sei der Pate selbst. Doch Don Corleone thront zu sehr über allem. Er gleicht eher einem Heiligen oder einem (dunklen) Engel als dass er der Held sein könnte. Der älteste Sohn Sonny könnte der Held sein, da er in Schwierigkeiten gerät, seiner Rolle gewachsen zu sein und sein Temperament zu zügeln. Zieh-Sohn Tom ist der Emporkömmling. Falls er der Held würde, müsste es sich in dem Film darum drehen, ob es ihm als Außenseiter gelingt, durch seinen kühlen Kopf die Familie zu retten und sich so an ihre Spitze zu setzen. Fredo hätte das Potential zum Underdog-Helden, wenn der Film als Komödie angelegt wäre. Connie ist zu passiv, um Heldin zu sein. Bleibt Michael Corleone, der zunächst recht wenig in Erscheinung tritt und der mit der Familie nichts zu tun haben will. Große Pläne werden ausgeheckt, Verräter umgebracht, neue Geschäftsideen abgewogen, ein Film-Mogul erpresst, und von Michael ist weit und breit keine Spur, er amüsiert sich mit seiner Freundin. Es dauert fast eine Film-Stunde, bis sich Michael definitiv als Hauptfigur zu erkennen gibt: Er übernimmt Verantwortung für die Familie. Erst im engeren Sinne, als er seinen Vater im Krankenhaus vor den Mördern beschützt. Später im weiteren Sinne (d.h. für die Familie als Mafia-Organisation), als er sich willens, fähig und bereit erweist, einen Mord zu planen und zu begehen.