Actor’s Nightmare – Alptraum des Schauspielers

Das alte Impro-Spiel „Alptraum des Schauspielers“ (Actor’s Nightmare) wieder ausgegraben. Es kann sehr schön sein – sowohl auf der Bühne als auch als Übung in Proben oder im Workshop.
Wie es funktioniert: Aus einem echten Theaterstück wird ein Dialog ausgesucht. Spieler 1 liest (und spielt) einen Part. Spieler 2 (ohne Textbuch) improvisiert den anderen.
Schön, wenn beide Spieler nicht wissen, aus welchem Stück der Dialog ist.
Tip für Spieler 2: Höre auf den Duktus, den sprachlichen Stil und den Rhythmus und übernimm so viel wie möglich davon.

„who we are and where we are from“

Joe Bill über sein Duo-Format Bassprov, das er mit Mark Sutton in Chicago aufführt:
„Die zugrunde liegende Idee kann man lehren, aber sie ist auch ein Produkt dessen, wer Mark und ich sind und wo wir herkommen.
(„The basic idea is teachable, but it’s also very much a product of Mark and I being who we are and where we are from.“ aus einem Interview mit Pamela Victor)

Man eignet sich Impro dann an, wenn man das formal Gelernte hinter sich lässt und letztlich das tut, wonach einem der Sinn steht – im Falle von Mark Sutton und Joe Bill – zwei Typen, die sich eine Stunde lang beim Angeln über das unterhalten, was sie diese Woche beschäftigt. Die konventionelle Impro-Schule würde sich, wenn sie die Form betrachtet, die Haare raufen – wenig Körperlichkeit, viel Gerede, praktisch keine Handlung. Und doch ist das, was die beiden tun, ungeheuer stark, beliebt und einflussreich. Aber ein Rezept ist es eben nicht. Wenn du eher der physische Typ bist, dann suche dir eine entsprechende Form oder spiel drauf los – am besten mit Leuten, die so ticken wie du.

Zu sehr im Kopf

Jill Bernard zu einem Improspieler, der beklagte, zu sehr im Kopf zu sein: „Ich zahle dir 10.000 Impro-Dollars (Umtauschkurs = 0 echte Dollar), wenn du in den nächsten sechs Szenen mit Absicht alles falsch machst. Schau, was sich da verändert.“
I will pay you 10,000 improv dollars (exchange rate=0 real life dollars) to do everything wrong in your next six scenes on purpose. See what difference it makes.“
http://www.yesand.com/forum//showthread.php?675-Being-too-much-in-your-head&p=4048&viewfull=1#post4048

TJ & Dave

Zurzeit beschäftigt mich wieder die Magie des Chicagoer Duos TJ & Dave, die ich nur zwei Mal gesehen habe – einmal live und einmal auf ihrer für Improvisierer unbedingt sehenswerten DVD „Trust Us“ – und die dennoch einen ungeheuren Eindruck auf mich gemacht haben. Das Besondere an den beiden ist, dass sie ohne jeglichen Publikumsvorschlag einfach auf die Bühne gehen und loslegen. Alles entsteht sanft, ohne Brüche, aus dem Moment heraus. Die beiden legen dabei eine große Palette an Charakteren an, die sie abwechselnd annehmen. Das Schauspiel ist dabei zurückhaltend, und doch erkennt man ohne Schwierigkeiten die Figuren wieder. Nichts geht verloren, nichts wird vergessen.

Im Interview-Blog von Pamela Victor gibt es im Gespräch mit Susan Messing folgende Passage:

Pam: Es war frustrierend, ihnen zuzuschauen, da ich ihr Getriebe nicht sehen konnte, verstehst du?
Susan: Für sie ist es wie Atmen.
Pam: Genau!
Susan: Sie hören extrem genau zu, rechtfertigen jeden Scheiß, der vor ihnen ist und sind extrem spezifisch und im Moment.

Ich war gerade dabei, einen Brief an TJ zu verfassen, als ich zufällig auf Pamelas Interview mit ihm stieß. Die Hälfte meiner Fragen stellte auch sie. Ich empfehle den zweiten Teil des Interviews, vor allem den Absatz zu „Heat“ und „Weight“ einer Szene.

Lessons from Viola Spolin

„The lesson is to focus. And it’s found within the rule of the game. So the idea is that the lesson is learned organically without a teacher having to explain what it is. (Aretha Sills)
„She never ever mentioned >how to< anything. You were never wrong. And you were never right. You just either did it or you didn’t do it.“ (Richard Schaal)
„Every game of her is designed to put you into that unknown area. Go where you don’t know what’s going to happen next. And that’s where the surprise for you as an actor is going to come. And that’s where the growth of an artist is going to come from. And that’s why the audience comes. (Gary Schwartz)
„She said: ‚Don’t thank me. It’s not me. It’s the work. Don’t make me your guru.'“ (Gary Schwartz)
„She said: ‚Creativity is not the clever re-arranging of the known.‘ And a lot of improv has become the re-arranging of known common material.“ (Gary Schwartz)

Gewalt als Ende und Lösung

Wie soll der Held dem Bösen begegnen? Was macht ein befriedigendes Ende aus?
Eine häufig anzutreffende Lösung ist die der Rache oder der Tötung. Tatsächlich ist dies eine klassische Möglichkeit, eine Geschichte zu beenden. Denken wir an klassische Geschichten wie Märchen und Mythen aber auch Western, Abenteuer-Geschichten, Thriller, Horror, Krimi.
Unabhängig davon, ob man als Zuschauer Gewalt überhaupt als Lösung akzeptiert (wenn man das nicht tut, hat man wahrscheinlich sowieso ein Problem mit Abenteuer- und Horror-Geschichten), braucht die Gewalt der guten Seite hinreichend gute Gründe.
Das Böse darf nicht dem Guten an Macht und Intention ebenbürtig sein, sondern muss eine übermächtige Bedrohung darstellen.
Andere Optionen, wie z.B. der legale Weg oder Kommunikation sind ausgeschlossen.
Das Gute muss unmittelbar bedroht sein, nicht nur abstrakt.
Wenn wir dies nicht beachten, wird der Rachefeldzug der guten Seite selbst als unmenschlich und widerwärtig wahrgenommen, so dass wir als Zuschauer nicht mehr das Gefühl haben, das Gute habe gewonnen. Auch dies ist natürlich als Geschichte denkbar, nur sollte das Unbehagen dann auch storymäßig markiert werden, z.B. wenn sich im Horror das Böse nun aufs Gute übertragen hat oder im Krimi der überreagierende Detektiv an seiner Handlung verzweifelt.

Professionalität

„Ab wann ist denn etwas professionell?“
„Es gibt ja einen Unterschied zwischen professionell, also damit Geld zu verdienen (…) und dann gibt’s noch die Könnerschaft. Und da weiß ich jetzt nicht, was du meinst.“
„Die Könnerschaft.“
„Ach so. Die fängt nie an. Die hört auch nie auf. Das Lernen hört ja nie auf. Und die Könnerschaft, die gibt’s gar nicht. Das muss man auch mal deutlich sagen. Es gibt nämlich Leute, die meinen, sie wären Könner. (…) Und die töten dann die Phantasie.“

Improtheater rezensieren

Wann werden wir substantielle Rezensionen über Improtheater-Shows erleben?
Theater-Journalisten bräuchten ein geschultes „Impro-Auge“ und ein entsprechendes Vokabular. Der typische positive Artikel einer deutschen Zeitung beschreibt meist eine Performance eines Improtheaters, und dann ist für diese Zeitung das Thema erst mal mindestens ein Jahr lang tot. Es geht ihnen also nicht um die konkrete Aufführung, sondern um Impro an sich, das abgehandelt wird. („Eine fliegende Untertasse vor dem Roten Rathaus als Musical! Diese Spontaneität muss den Imprototypen erst mal einer nachmachen.“
Die wenigen Journalisten, die sich häufiger Improtheater ansehen, erkennen oft nicht, warum eine Szene versagt und eine andere gelingt.
Natürlich ist die Kunstpresse überhaupt eher werk-orientiert als prozessorientiert. Eine konventionelle Inszenierung kann man sich schließlich noch mal anschauen. Eine gestern rezensierte Improshow sagt noch nicht viel über die Improshow nächste Woche. (Selbst bei den „gescripteten“ Shows der Berliner Lesebühnen gibt es keine Rezensionen, sondern nur Berichte über das Phänomen.)
Nun gibt es auch im Internet hier und da Versuche, Impro sozusagen „von innen“ zu rezensieren. Improspieler, so glaube ich inzwischen, sollten davon die Finger lassen. Schließlich muss der Rezensent auch die Möglichkeit haben können, harte Worte zu finden. Aber diese als Impro-Spieler  zu äußern, hat nicht nur den Charme von Nestbeschmutzung, sondern von Treten-nach-Kollegen.
Und schließlich, das muss man auch sagen, ist die Improtheaterszene immer noch nicht anspruchsvoll und groß genug, um sich gute Rezensionen verdient zu haben.
In Berlin findet man meist die einzigen journalistischen Beiträge zum Thema Improtheater kurz vor dem internationalen Festival der Gorillas. (Als Vorankündigung, nicht als Rezension!) Der Text lässt sich per Copy & Paste fast jedes Mal wiederholen. Aber vielleicht hat das die Berliner Szene auch noch nicht anders verdient?
Was wir brauchen: Rezensierenswerte Performances und sachkundige Journalisten.

Die Inspiration für diesen Artikel habe ich von der großartigen Jill Bernard, der ich hoffentlich noch in diesem Leben mal begegnen werde.
http://www.hugetheater.com/2012/the-difficulty-of-reviewing-improv/

Weisheiten aus einem Interview mit Dave Pasquesi

We don’t rehearse regularly but we do rehearse frequently. And it’s always, just as a reminder “what is our mission statement again? What is it we’re trying to do?” Because part of it is, it has to change for a person.
The idea of constantly changing and evaluating where one is. I think that’s really helpful. To become comfortable is kind of a symptom of needing change. You do this thing and you become comfortable at doing this thing that used to be uncomfortable and now that I’ve reached that I have to realize that and do something else. I think that’s what they’re talking about when they mention the notion of ‘follow the fear.’ You know, push it a little further. And you know just as a reminder this is about failing. This is about the distinct possibility of failure and to not be afraid of failing.
(Q: What do you consider a mistake?) Dave: Something that was missed. A piece of information that went past. I think that’s all it is, really paying attention to all the information that we have.
Kind of our game is to communicate things with as little information as possible. Because that’s I think where it becomes magical.
The main skill in improvisation is paying attention and I think that’s really useful everywhere.
When you see people acting that’s a terrible thing. (…) Instead of acting why don’t you just say these fucking words.

Komplettes Interview hier

Die wirklich äußerst sehenswerte DVD von TJ & Dave: Trust Us This Is All Made Up beim amerikanischen Amazon leider nur noch für viel Geld zu haben.
Oder beim Verfasser dieses Blogs bei gutem Zureden als Leihgabe.

Gruppendynamiken

(Ergänzung: Diese Gedanken habe ich bearbeitet und weiter ausgeführt im Buch „Improvisationstheater. Band 8: Gruppen, Geld und Management


Heute mal ein heikles Thema
Improgruppen entstehen und vergehen. (Ich selbst habe in einigen Ensembles, die inzwischen ins Impro-Nirvana eingegangen sind gespielt. Und ich habe teilweise aus nächster Nähe mitbekommen, wie Gruppen zerbrachen.)
Nichts besonderes, möchte man meinen. Aber ich habe den Eindruck, dass bei Impro-Ensembles die gruppendynamische Seite viel stärker ist als in anderen Konstellationen, beispielsweise bei Bands oder was ich bei Lesebühnen beobachte.
Ein Grund könnte sein, dass man viel mehr darauf angewiesen ist, nicht nur miteinander zu spielen (das muss eine Band auch), sondern sich persönlich zu öffnen – und das auch noch live.
Die Konflikte sind oft die klassischen: persönliche Animositäten, unterschiedliche künstlerische Ziele, Geld. Dazu kommen leider auch kleinere Auseinandersetzungen über das, was auf der Bühne geschehen ist, geschehen soll. Und im schlimmsten Falle – Quasi-Streit live über das, was gerade geschieht.
Entscheidend ist letztlich, die Konflikte nicht in einen riesigen Topf zu schütten, sondern voneinander zu trennen und anzugehen. Was man z.B. von jemandem persönlich hält, muss die Zusammenarbeit auf der Bühne nicht beeinflussen.
Entscheidend für eine Impro-Gruppe ist letztlich, dass sie dieselben Ziele hat. Das mag zu Beginn noch recht einfach sein: Man will regelmäßig miteinander improvisieren. Doch schon bald zeigen sich erfahrungsgemäß die Differenzen: Wie oft soll man auftreten? Wie oft soll man proben? Will man mit Impro Geld verdienen?
Nach 1-2 Jahren gehen meist die künstlerischen Diskussionen los: Games oder Langformen? Mit welcher Art von Shows ist man zufrieden oder unzufrieden?
Und bald schleicht sich hier und da das Gefühl ein, der oder die passe nicht so recht ins Ensemble.

Es gibt natürlich kein Rezept zur Lösung der spezifischen Probleme von Improgruppen. Aber hier ein paar Beobachtungen der letzten Jahre, die vielleicht hilfreich sein könnten:

  1. In großen Gruppen genießt die Unterschiede und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, Vielfalt auf die Bühne zu bringen – stilistisch und inhaltlich. Große Schiffe lassen sich aber auch langsamer steuern. Deshalb braucht man manchmal etwas mehr Geduld, wenn sich etwas ändern soll.
  2. In kleinen Gruppen achtet darauf, flexibel zu bleiben. Haltet die Antennen nach draußen, um Impulse mitzubekommen und evtl. neue Spieler zu rekrutieren, falls mal jemand ausfällt.
  3. Zerfasert eure Streits nicht in Kleinigkeiten und Prinzipiendiskussionen. Wenn etwa einer meint, mit Impro Geld verdienen zu wollen, während das dem anderen egal ist, weil er sowieso genug verdient, so muss das noch kein Grund sein, sich darüber zu zerstreiten, wenn auf der Bühne alle nach wie vor ihr bestes geben.
  4. Aller Anfang ist schwer. Werft nicht gleich bei den ersten Problemen alles hin. Bleibt am Ball.  
  5. Tretet vor allem regelmäßig auf. Reine Proben-Gruppen, die „irgendwann, wenn wir gut genug sind“ mal auftreten wollen, zerfasern rasch, weil eben dieses „gut genug“ nie kommen wird. Es ist gut zu proben, aber euer Können schärft ihr vor allem live. Und wenn es 5-10 Minuten in einer Mixed Open Stage ist.
  6. Klärt Finanzielles. Was geschieht mit Einnahmen? Wovon werden Investitionen bezahlt.
  7. Auch wenn’s schwer fällt: Manchmal sind klare Worte nötig. Wenn ein Spieler – wie nett er auch sein mag – eure Shows ruiniert, wenn sich keine Fortschritte zeigen, dann trennt euch von ihm. Vielleicht will er ja auch gar nicht auftreten, sondern nur Teil eurer tollen Truppe sein. Vielleicht macht er sich am Licht ganz gut.
  8. Fragt euch in regelmäßigen Abständen: Was wollen wir? Wenn ihr die gleichen Ziele habt – wunderbar. Wenn nicht, könnt ihr die Differenzen als Gruppe aushalten?
  9. Nach langer Zeit sind manchmal die Konflikte festgefahren, ohne dass man wirklich sagen könnte, worum es eigentlich geht. Man kann jetzt den Beatles-Weg gehen: Auflösung einer großartigen Truppe wegen Kleinkram. Oder man geht durch die anstrengende Tour der Supervision, wie es Metallica vorgemacht haben. 
  10. Im Zweifel besinnt euch auf das, was euch eint: Improtheater. Spielt ein paar lustige Games bei der Probe. Macht Quatsch.

„Mehr Zuschauer als Spieler“

Eine der idiotischsten „Regeln“, der ich immer wieder begegnet bin, lautet, es müssten mehr Zuschauer im Publikum als Spieler auf der Bühne sein, damit man die Show überhaupt beginnen könne. Abgesehen davon, dass schon dieses Abzählen völlig unsinnig ist – warum soll man die Zuschauer, die gekommen sind, bestrafen? Beinahe noch schlimmer fand ich an einigen Orten: „Dann spielen wir eben nur halb so lang.“ (Man nimmt dasselbe Geld und serviert ihnen nur eine halbe Portion.) Letztlich macht man sich nur die Kunst kaputt durch solche Halbherzigkeiten. Sicherlich, einen Theatersport-Abend kann man schlecht vor drei Zuschauern spielen, aber warum dann nicht etwas anderes improvisieren? Für mich liegt das Limit bei 2 Zuschauern, die ich frage, ob sie die Show sehen wollen. Und wenn das der Fall ist, dann ziehe ich es auch durch. Allerdings war ich in solchen Situationen eher selten, und wenn, dann umzingelt von Kollegen, die schon bei weniger als Zehn Zuschauern die Flinte ins Korn warfen.

Laurel, Hardy und meine Kollegen

Gab es eigentlich schon mal Improspieler, die systematisch den Stil von Laurel und Hardy zu erfassen versucht haben?
Am letzten Freitag ist mir das spontan gelungen. Aus einer lang angelegten Story, die eigentlich voller Szenenwechsel sein sollte, entstand eine 20minütige Slowburn-Szene mit meinem genialen Kollegen Paul Moragiannis.
Applaus verdient aber auch Janine Tuma, die die Szenen mit kleinen Nebenfiguren unterstützte, uns sozusagen Futter gab, und nicht etwa die „Story vorantrieb“.

Der Held, dieses Arschloch

Es wäre noch mal schön auszuprobieren, wieviel Schattenseiten man dem Helden mitgeben kann, damit er fürs Publikum noch erträglich ist. Oder anders gefragt: Kann der Held ein ausgemachtes Arschloch sein?
Meine Vermutung ist: Es hängt von der Zeit ab, die man für die Story zur Verfügung hat. In „Rain Man“ ist der von Tom Cruise gespielte Charlie Babbitt ein unangenehmer Kerl, aber natürlich ist er der Held (und nicht der autistische Bruder Raymond!), denn er ist es, der sich wandelt. (Raymond wäre wie Heidi oder Vito Corleone eine Engelsgestalt.)
Die Frage tauchte vor einer Weile auf, als in einer mittellangen improvisierten Szene (15 Minuten) die eigentlich sympathische Heldin auf einmal nach der Hälfte der Story missgünstig und rassistisch wurde. Ich denke, in dem Moment hatte sie die Sympathien des Publikums verspielt. Und schlimmer noch: Wenn sie sie nicht verspielt hat, erschiene die sympathische Figur wie ein Vorwand, Rassismen und Missgunst zu äußern.

Komplexes vom Publikum erfragen

Oft fragen Improspieler Zuschauer nach Vorschlägen und wundern sich, warum die scheinbar auf dem Schlauch stehen. Das hat eben manchmal damit zu tun, dass man bei einigen Fragen eben ein wenig überlegen muss, weil der Geist gerade im Zuschau-Modus ist. Selbst für einfach scheinenden Fragen („Haben Sie heute eine seltsame Person getroffen?“ / „Ein Titel für ein Musical!“) braucht man ein wenig Zeit.
Für Fragen, die wirkliches Überlegen erfordern („Ist Ihnen in den letzten Monaten etwas scheinbar Übernatürliches widerfahren?“), kann man den Zuschauern ruhig mal die Pause zum Nachdenken lassen.
Generell: Bei Fragen sich immer wieder in den Zuschauer hineinversetzen.

Der gute Improspieler

Wann wird ein Improspieler als wirklich „guter Improspieler“ wahrgenommen?
Johnstone beschreibt gute Improspieler als wagemutig, leicht, beweglich und bereit, Kontrolle abzugeben.
Das sind gewissermaßen objektive Kriterien. Aber es gibt auch Spieler, die z.B. vom Publikum gemocht werden, mit denen aber keiner spielen will, weil sie Rampensäue sind. Oder Spieler, die sich gut einordnen, aber nicht über den Bühnenrand hinaus strahlen.
Ich sage, ein guter Improspieler:
– wird gern vom Publikum gesehen,
– ist ein guter Teamplayer, d.h. unterstützt die Ideen seiner Mitspieler,
– wird von seinen Kollegen als inspirierend wahrgenommen.

Schlechte Shows von Freunden und Kollegen

Schlimmster-Fall-Szenario: Die von ihrer eigenen Show begeisterten Kollegen wollen sofort ein Feedback, und du weißt, die Wahrheit ist bitter.

Möglichkeiten:
Sofort nach der Show verschwinden.
Nach der Show das Gespräch mit den Kollegen meiden oder auf andere Themen bringen.
Bereits während der Show auf die positiven Aspekte fokussieren, auch wenn’s schwerfällt. Nach der Show dann diese Aspekte erwähnen. Dann sanft auf ein anderes Thema ausweichen.
Fragen stellen, bevor sie selber welche stellen können: Wann spielt ihr denn wieder? Was sind eure nächsten Pläne?
Kritik nur bei guten Freunden abgeben und auch nur dann, wenn sie darum bitten.

Lach-Forschung: Groteseke, Pointen, Helge Schneider, Monty Python und Mario Barth

Rainer Stollmann im Interview bei Radio Eins:
„Mittermeier ist ja eine Pointenkanone. Und Helge Schneider verwendet keine einzige Pointe, d.h. er macht überhaupt keine Witze, sondern Helge Schneider ist grotesk. (…) Und im Grunde ist das Groteske das Lachen des Mittelalters. (…) Da gibt’s allerdings mehrere, also Monty Python wären da zu nennen, die auch sehr grotesk sind (…) Es gibt ein Nord-Südgefälle des Temperaments, insofern gibt es ein Gefälle des Lachens. Aber bei den Engländern ist es eine Frage der Geschichte. Den Engländern ist es gelungen, den städtischen Witz und die bäuerliche Groteske zu verbinden, das sieht man an Monty Python. Die Verbindung des Gentleman-Humors mit dem Bäuerlichen.“
(„Was ist denn die lustigste Nation der Welt?“)
„Die Ägypter gelten als die Engländer im arabischen Raum. Wenn ich das wirklich ernstnehmen müsste, würde ich aber sagen: Wahrscheinlich sind’s die Afrikaner. (…) Eine Frau stampft zwei Stunden das Essen mit dem Stampfer, das Ding fällt um, es kommt ein Hund und trägt es weg; die Frau lacht. Das ist ein anderes Verhältnis zur Arbeit und zum Leben. (…) [Als Lachforscher] glaube ich zu bemerken, dass ich die Kritikfähigkeit am Lachen verliere, merkwürdigerweise. Schauen Sie mal, der Mario Barth zum Beispiel, der ja mit seinem Humor Arenen füllt, aber von der Intelligenzija kritisiert wird, mir gelingt’s inzwischen, auch über den zu lachen. (…) Man kann an ihm Sachen entdecken, die doch interessant sind. Er steht zum Beispiel auf der Bühne und guckt immer so hinter sich, als ob er Nackenschläge kriegt. Das ist eigentlich eine merkwürdige Geste, die passt eigentlich zu seinem Publikum, die müssen auch immer aufpassen in ihrem Leben, dass sie mit ihren Nackenschlägen fertigwerden, und insofern hat der Humor ne Funktion.“
Download des Interviews

„Er machte alles falsch und war doch der Größte“

Angelo Dundee, der Boxtrainer über seinen Schützling Cassius Clay (später Muhammad Ali): „Er machte alles falsch und war doch der Größte.“
Das Genie von Dundee besteht darin, genau dies zugelassen und gefördert zu haben. Muhammad Ali hatte seltsam wirkende Techniken, z.B. sich nach hinten zu lehnen statt in den Kampf hineinzugehen. Er vertraute auf seine für einen Schwergewichtler ungeheure Reaktionsfähigkeit. Dundee versuchte erst gar nicht, Ali umzudrehen oder zu verbiegen. Seine Seltsamkeiten förderte er sogar.

Ruth Zaporah Workshop

  • „Know what you’re practicing!“
  • Die Bedeutung eines Sounds o.ä., der uns inspirieren kann, darf uns nicht ersticken.
  • „Ich weiß“ = „Ich kann nichts mehr lernen.“
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  • Drei Tore führen zum Inhalt: 1) sinnliche Erfahrung, 2) Stimmung, 3) Bilder und Konzepte.
(Übriggebliebene Notizen von Mai 2011)