Seit ein paar Jahren hat sich in den Protestbewegungen die Fraktion militanter Clowns ausgebreitet. Militante Clowns nehmen den zivilen Ungehorsam ernst und überschreiten Gesetze bis knapp unter Gewaltanwendung, also das ganze Spektrum demo-begleitender Aktionen, die man bereits kennt: Blockaden, Zerstörung von Dingen usw. Das Repertoire ist nicht ganz neu und oft effektiv, aber die Clownerie suggeriert "Hopplahi-hopplaho – alles nur halb so ernst gemeint. Schließlich sorgen wir für gute Laune." Und in der Tat wirken Polizisten wie Spielverderber, wenn sie Clowns vom Platz tragen. Und so schraubt sich der Ärger zur furchtbaren Empörung hoch: Es war doch nur ziviler Ungehorsam.
Das Wort "Ungehorsam" verniedlicht aber durch seine Assoziation an Befehlsverweigerung, an Dem-Oberlehrer-nicht-gehorchen, dass es schlicht um Rechtsbrüche geht, die eben Konsequenzen zur Folge haben. Ob mit roter Nase oder ohne. So ist das nun mal mit Rechtsbrüchen. Das heißt nicht, dass man nicht über Details des Versammlungsrechts streiten könnte – etwa über den Sinn des Vermummungsverbots. Allerdings macht man sich wohl unglaubwürdig, wenn man einerseits eine Kennzeichnung der Polizeibeamten fordert und gleichzeitig sich selbst unkenntlich macht. Ob mit Schminke oder Hasskappe ist da zweitrangig.
Nun ist gewiss ein Szenario denkbar, in dem die staatliche Gewalt dermaßen überhand nimmt oder die demokratischen Spielregeln soweit außer Kraft gesetzt sind, dass ich mich aus Gewissensgründen genötigt sehe, Gesetze zu brechen, die ich sonst – auch wenn sie mir nicht passen – immerhin hinnehme. Für Jean Peters in der taz ist die Grenze bereits an dem Punkt erreicht, dass Castor-Transporte durch die Gegend rollen, obwohl eine Umfragenmehrheit für die Abschaltung von AKW ist. Andere halten ein Treffen der G8 oder die Räumung eines illegal besetzten Hauses für dermaßen inakzeptabel, dass die legalen Mitteln politischer Kommunikation nicht mehr ausreichen.
Warum sich dann aber beschweren, wenn das Recht durchgesetzt wird? Der "zivile Ungehorsame" weiß ja schließlich, dass er eine Grenze überschreitet. Ihm bleibt nichts anderes übrig als auf seine eigene Cleverness, einen smarten Anwalt, einen gnädigen Richter oder öffentliche Solidarisierung zu bauen. Aber zu skandalisieren, dass der Staat sich Rechtsbrüche nicht einfach gefallen lässt, ist lächerlich, wenn nicht gar feige.
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Der Eunuch überbringt dem Kalifen die Nachricht, seine Frau Zubaida habe sich diese Krone anfertigen lassen, aber sie fände keinen passenden Edelstein für die Spitze. Harûn er-Raschîd befiehlt seinen Kammerherren und Statthaltern, nach einem solchen Edelstein zu suchen, sie kommen aber ohne Erfolg zurück.
Als sie das dem Kalifen kundtaten, ward er zornig und rief: "Wie kann ich Kalif und König auf Erden sein, wenn ich nicht imstande bin, einen Edelstein zu beschaffen? Ihr da, fragt bei den Kaufleuten an!"
Ist da wer in seiner Eitelkeit gekränkt?
Man teilt ihm mit, es gäbe nur einen, der so einen Edelstein besitzen könne: Abu Mohammed der Faulpelz in Basra.
Der Kalif sendet seinen Schwertträger Masrûr mit einem entsprechenden Schreiben an den Statthalter von Basra, Emir ez-Zubaidi.
Der Bruder seiner Frau Zubaida?
Als Masrûr schließlich vor Abu Mohammeds Haustür steht und das Anliegen vorträgt, bittet dieser ihn herein, doch man antwortet ihm:
"Wir können das nur in aller Eile tun, wie uns der Beherrscher der Gläubigen befohlen hat; denn er wartet auf dein Kommen." (…)
"Wartet nur ein klein wenig auf mich, bis ich alles gerüstet habe."
Schließlich gelingt es ihm doch, alle in sein Haus zu lotsen.
Und dort sahen sie zunächst eine Vorhalle, behangen mit Wanddecken aus blauem Brokat, die mit rotem Golde bestickt waren.
Masrûr wird indessen von den Dienern ins Bad geleitet und schließlich ins noch prächtigere Obergemach geführt.
Dann befahl er [Abu Mohammed], den Speisetisch zu bringen; doch als Masrûr den Tisch sah, rief er: "Bei Allah, sogar bei dem Beherrscher der Gläubigen habe ich einen solchen Tisch nie gesehen."
Man speist und trinkt und Mohammed schenkt jedem 5000 Dinare und ein Ehrengewand. Wieder drängt Masrûr zur Abreise. Doch Abu Mohammed meint:
"O Gebieter, gedulde dich nur noch bis morgen, damit wir uns reisefertig machen können und dann mit euch aufbrechen!"
Also verbringen sie noch die Nacht dort.
Als inzwischen geübter Leser dieser Erzählungen, erwartete ich zumindest zwei weitere Nächte, in denen immer schönere Gewänder, Speisen und Sklavinnen die Sinne der Gäste vernebeln, aber…
Tatsächlich brechen alle am nächsten Morgen auf
und reiten ohne Unterbrechung weiter, bis sie zur Stadt Bagdad gelangten.
Dort präsentiert Abu Mohammed dem Kalifen Geschenke aus einer Kiste:
darunter goldene Bäume, mit Blättern aus Smaragd und Früchten aus rotem und gelbem Hyazinth und aus schimmernden Perlen.
In der zweiten Kiste:
ein brokatenes Prunkzelt, das mit Perlen, Rubinen und Smaragden, Chrysolithen und noch anderen Edelsteinen verziert war; die Pfeiler des Zeltes waren aus frischem Aloeholz; die Säume der Zeltdecke waren mit grünen Smaragden besetzt; und auf den Zeltwänden waren lauter Bilder von allerlei Getier angebracht.
Woraus werden dann wohl die Heringe des Zeltes gewesen sein?
Nun gibt Abu Mohammed auch noch Zauberkunststückchen zum Besten. Er
bewegte seine Lippen und winkte den Zinnen des Palastes; da neigten sie sich ihm zu. Dann gab er einen zweiten Wink; da wurde sie wieder aufrecht, wie sie gewesen waren. Darauf machte er Zeichen mit den Augen; da erschienen vor ihm Käfige mit verschlossenen Türen, und nachdem er Worte über sie gesprochen hatte, gaben die Vogelstimmen Antwort. Über all das war er-Raschîd aufs höchste erstaunt, und er fragte: "Woher hast du all dies, wo du doch nur als Abu Mohammed der Faulpelz bekannt bist?"